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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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Anzahl der Opfer.
    Nachdenklich trommelte sie auf dem Steuerrad, dann wählte sie impulsiv die Nummer des Chefrangers von Umfolozi.
    Â»Hi, Godfrey, hier ist Jill«, sagte sie, als er sich meldete. »Sag mal, vermisst ihr ein paar Löwen? Zwei Männchen? Unter Umständen auch noch ein Weibchen?«
    Â»Von unseren Rangern habe ich nichts dergleichen gehört, ich werde aber nachfragen«, war die Antwort. »Ansonsten würde ich mal Maurice anrufen. Seine Zuchtstation ist überbevölkert. Und der Sicherheitsstandard seines Geheges ist nicht gerade beispielhaft, um es gelinde auszudrücken. Es würde mich nicht überraschen, wenn sich ein paar seiner Katzen auf Wanderschaft begeben haben.«
    Â»Maurice? Verdammt, daran habe ich noch nicht gedacht. Aber du hast recht … Danke für den Tipp.« Damit beendete sie den Anruf.
    Schon hatte sie die Nummer von Maurice auf dem Display, als sie das Telefon wieder sinken ließ. Woher die Löwen stammten, war letztlich egal. Außerdem gab es noch andere Möglichkeiten. Vor vier Jahren, so wurde es später rekonstruiert, hatten Wilderer die Zäune des südlichen Krügerparks aufgeschnitten,
und zumindest eine Löwin war auf diesem Weg entwichen, was allerdings erst eine Woche später von den Rangern bemerkt wurde. Das Tier wurde in den Landstrichen südlich des Parks immer wieder gesichtet, Jäger wurden darauf angesetzt, aber die Löwin entkam jedes Mal. Irgendwann erreichte sie Zululand, wo durch einen Wolkenbruch und die darauf folgende Schlammflut die Zäune von Inqaba zerstört worden waren. Die Raubkatze gelangte ungehindert auf Inqabas Gebiet und riss eine Touristin, die sich am Swimmingpool in der Nähe des Haupthauses gesonnt hatte. Philani fand die Tote im angrenzenden Busch. Die Leiche war zumindest so weit erhalten, dass man die Frau identifizieren konnte. Obwohl Jill natürlich bis ins Mark geschockt gewesen war, hatte das Rudel von Inqaba zu ihrer heimlichen Erleichterung ein Alibi. Es war zur gleichen Zeit kilometerweit entfernt gesichtet worden, und zwar vollzählig.
    Lieber Gott, mach, dass wir jetzt nicht zu spät kommen, betete sie. Nicht noch einmal.
    Ihr Herz klopfte hart, während sie das Funkgerät aus der Halterung löste und ihren Hauptranger rief. »Philani, hier Jill. Wir haben ein Problem. Inkinga enkulukhulu!«
    Ein Riesenproblem.
    Â 
    Auf einem weißen Holzschild mit der abgeblätterten Aufschrift »Tombouctou La Mysterieuse« hockte ein Geier und stierte hinunter auf einen verkrüppelten Bettler, in dessen offenen Wunden ein wimmelnder Pelz von Fliegen saß. Die Wüstenhitze schimmerte über der hart gebackenen roten Erde, Stimmengewirr vibrierte in der trockenen Luft. Frauen in leuchtenden Kaftanen gaukelten wie ein Schwarm exotisch gefärbter Schmetterlinge vor dem blassen Ocker der charakteristischen Lehmbauten Timbuktus. Ihre Lastesel trotteten mit gesenktem Kopf hinter ihnen her. Auf ihrem schmalen Rücken trugen sie den gesamten Hausstand der Familie.

    Ein wenig abseits standen Männer in indigofarbenen Gewändern in engem Kreis beisammen und diskutierten mit blitzenden schwarzen Augen und weit ausholenden Armbewegungen. Kunstvoll gewundene Turbane umrahmten ihre dunklen, vom ewigen Wüstenwind gemeißelten Gesichter.
    Mit einem dumpfen Knall flog jetzt die Tür im mittleren Lehmgebäude auf. Die Esel zuckten zusammen und tänzelten nervös. Eine junge Frau, barfuß und dreckverschmiert, hetzte mit ausgebreiteten Armen über den Marktplatz und stieß dabei gellende Schreie aus. Ihr zerfetztes Kleid flatterte, das dunkle Haar flog ihr wirr ums Gesicht, aus langen Schrammen lief ihr das Blut über die sonnenverbrannten Arme.
    Das Stimmengewirr erstarb schlagartig, die Menschen auf dem Platz erstarrten in ihren Bewegungen. Selbst die Esel blieben stehen und wandten ihr den Kopf zu. Die Frau fiel auf die Knie, raufte sich das Haar und steigerte ihr Geschrei zum Crescendo. Der Geier schlug erschrocken mit den Flügeln.
    Â»Halt!«, brüllte der Regisseur, der über Anita auf einer Art Hebebühne schwebte, durchs Megafon. »Marina, Liebes, könntest du deine beeindruckende Präsenz nur ein kleines bisschen zurücknehmen?«
    Das Geschrei hörte wie abgeschnitten auf. Die Frau sprang auf und stemmte die Arme in die Hüften. Das Haar hing ihr in wilden Locken ins Gesicht. »Meinst du damit,

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