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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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es war tatsächlich ein Kind, das sich vor ihr versteckte, dann schwebte es in höchster Gefahr, gleichgültig, wie buscherfahren es war. Allein unterwegs im Wildreservat konnte es höchstwahrscheinlich nicht überleben. Wie in allen Reservaten herrschte auch auf Inqaba eine unnatürlich hohe Wilddichte, damit Touristen nicht tagelang herumstreifen mussten, ehe sie Löwen, Flusspferde, Elefanten oder Nashörner zu Gesicht bekamen. Es war eine verwaltete, gezähmte Wildnis hinter hohen, elektrisch geladenen Zäunen, ein wunderschöner Zoo, der aber ohne menschliche Hilfe und striktes Management nicht existieren konnte. Dahinter verbarg sich die Tatsache, dass einerseits die Überlebenschance der Tiere mit Medikamenten verbessert wurde, andererseits gezielt Geburtenkontrolle betrieben wurde. Die Bewegung ihrer wertvollsten Tiere, besonders die der Großkatzen, wurde mit Funkhalsbändern überwacht. Es hatte von den Gästen schon Beschwerden darüber gegeben, dass alle Löwen Halsbänder trügen und überhaupt nicht aussähen wie wilde Löwen. Eher wie übergroße Plüschtiere. Sie schnaubte. Plüschtiere! Niemand, der je erlebt hatte, wie unglaublich schnell und brutal der Angriff eines ausgewachsenen Löwen erfolgte, würde ihn je wieder als Plüschtier bezeichnen.
    Die Tierbevölkerung Inqabas explodierte, sie brauchten immer mehr Platz, ihr Lebensraum schrumpfte ständig. Also musste der Mensch eingreifen. So gaukelte man den Touristen eine heile Welt vor. Das war nun einmal die Realität.
    Aber die Tiere waren wild. Ihre Instinkte waren aufs Überleben ausgerichtet. Lief ihnen Beute über den Weg, schlugen sie
zu. Und fraßen sie auf. Für die großen Raubkatzen zählte auch der Mensch zu den Beutetieren.
    Zu allem Überfluss erfasste die Elefanten vom angrenzenden Hluhluwe-Wildreservat regelmäßig der unwiderstehliche Drang, die weitere Umgebung zu erkunden. Also trampelten sie den Zaun von Inqaba einfach nieder und machten sich auf die Suche nach ihren Freunden, der kleinen Herde, die auf Inqaba lebte. Jill war überzeugt davon, dass die Tiere regelmäßig über die Zäune hinweg miteinander kommunizierten, auch um den Zeitpunkt, wann sie ihrem Wandertrieb nachgeben würden, gemeinsam zu besprechen. Elefanten konnten über Kilometer hinweg »sprechen«. Am liebsten führten sie ihre Ferngespräche abends. Jill hatte gelesen, dass die Tiere ihre Artgenossen über eine Fläche von dreihundert Quadratkilo metern erreichen konnten. Eine faszinierende Angelegenheit, wenn nicht auch andere Tiere die Elefantenschneisen benutzen würden, um neue Gefilde zu erkunden.
    Huftiere, Nashörner, Raubkatzen. Der Bestand auf ihrer Wildfarm fluktuierte ständig. Vor einigen Tagen waren zwei fremde Löwen auf Inqaba gesichtet worden. Vermutlich hatten sich wieder junge Löwenmännchen aus dem Umfolozi-Wildreservat, an dessen westlicher Grenze Inqaba lag, die von dem Pascha vertrieben worden waren, unter den elektrischen Zäunen durchgegraben und durchstreiften nun Inqaba . Nashörner und Elefanten waren groß und von den Rangern einigermaßen leicht zu entdecken. Raubkatzen dagegen waren geheimnisvolle Schatten, schwer zu finden, schwer einzufangen.
    Einer ihrer Ranger meinte, sogar ein fremdes Weibchen gesehen zu haben. Wenn die jungen männlichen Löwen an Kraft und Selbstbewusstsein gewonnen hatten, kehrten sie meist auf demselben Weg nach Umfolozi zurück, um den Pascha herauszufordern. War aber eines ihrer Weibchen dabei, könnte das heißen, dass bald ein weiteres Rudel der großen Raubkatzen über Inqaba herrschte.

    Sie schüttelte sich. Das Bild, das vor ihren Augen aufblitzte, war schrecklich. Es hieß, dass mittlerweile die meisten der Löwen in den großen Reservaten, die an oder in der Nähe der nördlichen Landesgrenze lagen, gelernt hatten, Menschen als leichte Beute anzusehen. Unzählige illegale Einwanderer überquerten diese Grenzen, meistens in der Dämmerung oder auch nachts. Ihr Ziel waren die großen Metropolen Südafrikas im Süden, und um nicht vorzeitig erwischt und wieder zurück in ihr jämmerliches Leben geschickt zu werden, benutzten sie den Busch der Wildparks als Deckung. Wie viele von ihnen dabei die Beute der Raubtiere wurden, wusste keiner. Die Knochen, die man gelegentlich fand, gaben keine gesicherte Auskunft über die

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