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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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hochsurren.
    Von der Anhöhe fiel das Land nach links sanft zum Flussbett ab, Palmen wuchsen fast bis an die Straße. Nach rechts säumte eine zwei Meter hohe, von dichtem Buschwerk gekrönte Stufe im Gelände den Weg wie eine Mauer. Ein juwelenblauer Glanzstar landete vor ihrem Kühler, und Jill bremste ab, um ihn nicht zu erschrecken. Dabei nahm sie gleichzeitig am äußersten Bereich
ihres Blickfelds eine winzige Bewegung wahr. Sie wandte ihren Kopf ruckartig herum.
    Der tiefe, scharf begrenzte Schatten unter einer Palmengruppe veränderte sich, wurde lang und schwärzer, bewegte sich ein paar Handbreit nach rechts, ehe er sich wieder im Lichtgeflimmer der Palmwedel auflöste.
    Ein kleines Tier, das Schutz vor der sengenden Sonne suchte. Das nahm sie an, als der Schatten hochschnellte und davonhuschte, flüchtig wie der eines vorüberfliegenden Vogels. Erst als sie schon ein paar Meter weitergefahren war, wurde ihr bewusst, dass der Schatten die Umrisse eines Menschen gehabt hatte. Eines kleinen Menschen. Fast die eines Kindes. Oder war es doch nur wieder ein Pavian gewesen? Sie trat so hart auf die Bremse, dass die Reifen über den Schotter rutschten.
    Mit jaulendem Motor setzte sie ein paar Meter zurück, nahm ihr Gewehr aus der Halterung, sprang vom Wagen und näherte sich vorsichtig der Palmengruppe. Mit größter Aufmerksamkeit beobachtete sie ihre Umgebung und achtete auf Geräusche wie das leise Schnattern von Affenjungen, das Gurren ihrer Mütter, konnte aber nichts feststellen. Unter den Palmen ging sie in die Hocke und tastete Zentimeter für Zentimeter den Bereich darunter mit den Augen ab. Die einzigen Spuren waren ein paar umgeknickte Grashalme. Sie strich mit den Fingerspitzen darüber. Der Boden war so hart, dass derjenige, der sich hier versteckt hatte, keinerlei Abdrücke hinterlassen hatte.
    In immer größer werdenden Kreisen untersuchte sie den Boden, stocherte mit einem Stock unter Büschen, schaute hinter die Felsen, die aus der roten Erde ragten, und darunter, wo es möglich war, spähte minutenlang in die Kronen der umliegenden Bäume. Aber sie fand nichts.
    Ein paar Sekunden noch verharrte sie bewegungslos und hoffte, irgendetwas wahrzunehmen, eine Bewegung, einen Ton. Aber alles blieb ruhig. Vielleicht hatte sie sich doch geirrt, vielleicht
hatten die tanzenden Schatten der Blätter, das flirrende Licht, ihre eigene Müdigkeit sie getäuscht.
    Oder hatte sie doch einen der großen Affen gesehen?
    Mit verschwommenem Blick starrte sie über die Palmen hinunter zum riedgesäumten Ufer. Wie ein Negativ stand das Abbild des huschenden Wesens vor ihrem inneren Auge, und jetzt im Nachhinein erkannte sie, was sie gesehen hatte. Es war kein Affe gewesen, der da weggelaufen war. Mit Sicherheit nicht. Es war ein kleiner Mensch gewesen. Ein sehr kleiner Mensch. Ein Kind.
    Mit einem unbehaglichen Gefühl im Magen markierte sie die Stelle mit drei faustgroßen Steinen. Dann kehrte sie zum Auto zurück, schwang sich auf den Fahrersitz und schloss die Tür, ließ den Motor aber noch nicht an, sondern lehnte sich im Sitz zurück.
    Ein Kind. Wie sollte ein Kind die Elektrozäune überwunden haben, die Inqaba sicherten?
    Es sei denn, es war ein Sprössling einer ihrer Leute gewesen, die innerhalb des Zaunes auf ihrem Land wohnten. In Gedanken ließ sie die Kinder ihrer Angestellten vor ihrem inneren Auge aufmarschieren. Thabili und einige der Serviererinnen, die Rangerfamilien, Jonas. Aber der hatte keine Kinder. Schon wollte sie das Ganze als Hirngespinst abtun, als sie ein weiterer Gedanke geradewegs in die Magengegend traf.
    Kira und Luca, ihre eigenen Kinder. Sie lebten seit ihrer Geburt auf Inqaba .
    Kira und Luca! Sie erstarrte. Kira würde in Kürze zehn Jahre alt werden und besaß ein überschäumendes Temperament und einen sehr eigenen Kopf, vorsichtig ausgedrückt, das hieß, sie setzte meist ihren Willen durch. Aber sie war im Busch aufgewachsen, wie ihr zwei Jahre jüngerer Bruder Luca. Beide würden nie ohne Begleitung in die Wildnis wandern.
    Oder?

    Nein, niemals, gab sie sich selbst die Antwort. Besonders Luca würde sich nie ohne seine Schwester ins Gelände wagen. Ihre beiden Buschbabys würden nicht so dumm sein. Sicherlich nicht. Energisch drückte sie ihre Zweifel weg und zwang ihre Überlegungen in eine andere Richtung.
    Wenn sie sich also doch nicht geirrt hatte, und

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