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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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nasser Erde und fauligen Blättern ein weiterer, ein scharfer Geruch, der unverwechselbar war. Katzenurin. Raubtiergestank. Die Futterstelle musste in unmittelbarer Nähe sein. Er kräuselte die Nase, war aber froh, dass er es soweit geschafft hatte.
    Ein trockener Knall peitschte durch die Dunkelheit, und Dirk blieb wie festgenagelt stehen. Es musste ein Schuss gewesen sein, daran bestand kein Zweifel. Davon hatte er im Laufe seiner Karriere als Kriegsreporter zu viele gehört. In diesem Fall stammte er nicht von einem großkalibrigen Gewehr, sondern eher von einer Handfeuerwaffe. Jemand hatte eine Pistole oder einen Revolver abgefeuert, da war er sich sicher.
    Die Gewissheit versetzte ihm einen derartigen Schock, dass ihm sekundenlang schwarz vor Augen wurde, und der Schrei, der dem Schuss unmittelbar folgte, ließ ihm das Blut in den Adern gerinnen. So schrie nur ein Lebewesen in Todesangst.
    Er konnte keinen Muskel rühren. Wie zu Stein erstarrt, stand er im dunklen Busch. Mit sekundenlanger Verspätung schoss ihm das Adrenalin durch die Adern, und er kam wieder zu sich. Noch einmal rief er sich ins Gedächtnis, von wo der Schuss gekommen sein musste, und wand sich lautlos wie eine Katze zwischen den Ästen hindurch, kam dadurch aber nur langsam voran. Er holte tief Luft. Der Mensch, der da geschrien hatte, war in
Not, und nach dem Schuss war es sinnlos, Geräusche vermeiden zu wollen. Jetzt war Schnelligkeit geboten.
    Er warf sich vorwärts und krachte rücksichtslos durchs Dickicht, verursachte dabei Lärm wie ein ausgewachsener Elefant. Ein neues Geräusch allerdings, eines, das ihm noch viel mehr Schrecken einjagte, trieb ihn jetzt noch schneller vorwärts. Es wurde durch die feuchte Nachtluft zu ihm herübergetragen. Nicht so klar wie der Schuss, nicht so durchdringend wie der Schrei zuvor, aber deutlich zu vernehmen. Ein Schrei höchster Angst. Panik. Von einem Menschen, einer Frau, denn die Tonlage war höher als bei einem Mann.
    Â»Scheiße«, brüllte er. »O verdammt!«
    Hinter der schwarzen Masse von Sträuchern erhellte ein Lichtschein einen Bereich, der offensichtlich innerhalb des Geheges lag, und ließ die Feuchtigkeit, die noch über dem Land hing, als geisterhaften, weißen Nebelschleier in der Nacht schweben. Im Laufen riss er sein Hemd vom Scheinwerfer, warf es weg und ließ den Strahl über den Busch huschen. Wo war dieser verdammte Eingang? Hektisch leuchtete er alles ab. Graue, vertrocknete Zweige, bösartig aussehende Dornen, sonst nichts.
    Dass Maurice im tiefen Schatten abwartete, bis er vorbeigerannt war und dann blitzschnell das Tor so weit auseinanderschob, dass er sich durch die Lücke zwängen konnte, bemerkte er nicht. Auch das Quad, das in sicherer Entfernung zur Futterstelle abgestellt worden war, blieb von ihm unentdeckt.
    Dirk hetzte weiter, der Lichtkegel huschte über die Bäume, die in der Nähe des Zauns wuchsen. An zwei dickstämmigen Dattelpalmen blieb er kurz hängen und sprang dann weiter, bis er einen kräftigen, gut verzweigten Tambotibaum traf. Er blieb stehen und überlegte, ob er einen der Bäume als Aussichtsplattform nutzen sollte. Von dort aus müsste er eine gute Sicht auf die Futterstelle haben. Mit den Augen maß er den Abstand der Bäume zum Zaun des Löwengebiets. Nur ein paar Meter. Viel zu
nahe, fuhr es ihm durch den Kopf. Maurice musste verrückt sein. Wenn die Bäume bei einem Sturm umstürzten, würden sie den Maschendraht einreißen, und die Löwen würden aufs Farmgelände gelangen. Wie er selbst gesehen hatte, gab es in der Außenbegrenzung von Timbuktu genügend Lücken, dass die Raubkatzen sich ungehindert durchwinden konnten, um in die Dörfer zu spazieren. Aber jetzt war es ein Glück für ihn, dass Maurice so nachlässig war. Er leuchtete den Tambotibaum hoch. Von seiner Krone aus würde er freie Sicht haben. Die Äste waren dick und stark, die würden ihn halten. Allerdings wuchs der erste etwa zweieinhalb Meter über dem Boden, und das stellte ein Problem dar.
    Er legte den Scheinwerfer unter dem Baum ab, steckte den Panga in den Gürtel und peilte den Ast an. Er ging tief in die Knie und drückte sich ab, schaffte es aber nicht, den untersten Ast zu packen, sondern rutschte ab und fluchte vernehmlich, weil er sich an der schuppenartigen, harten Außenseite des Stamms seine Handflächen aufscheuerte. In

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