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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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nie in seinem Leben hatte er sich so allein, so hilflos gefühlt. Mit Anita hatte er einen Teil von sich selbst verloren. Den wichtigsten. Seine Hoffnungen, seine Zukunft.
    Dirk Konrad, der hartgesottene Kriegsreporter, der zynische Kameramann, legte den Kopf auf die verschränkten Arme und schluchzte bitterlich.
    Lia hob ihr bleiches Gesicht und musterte ihn. »Meine Schwester kann nicht fliegen«, sagte sie. »Sie muss hier sein. Irgendwo.«
    Dirk hob den Kopf. Mit dem Fuß berührte er den toten Mähnenlöwen, und unwillkürlich sprang sein Blick hinüber zu den drei toten Löwen im Hof. Wieder wehte der widerliche Gestank nach warmem Blut, Raubkatzen und Exkrementen zu ihm herüber. Er würgte krampfartig. »Aber sie ist nicht hier«, stieß er hervor. »Ich rufe die Polizei. Die müssen Hubschrauber oder so was einsetzen.« Er zog sein Handy hervor und wählte den Notruf. »Besetzt«, knirschte er, behielt das Telefon aber in der Hand. Ein schleifendes Geräusch drang in sein Bewusstsein. Er spannte alle Muskeln.
    Â»Schritte«, flüsterte er. »Anita?«

    Und tatsächlich. Die Schritte kamen vom Weg, schnelle Schritte. Wie elektrisiert sprang Dirk auf und zerrte an der Pranke des toten Mähnenlöwen. Er zog ihn ein Stück zur Seite, riss das Eingangstor auf und stürmte hinaus, rannte den Schritten entgegen, als hinge sein Leben davon ab.
    Und das tat es, darüber war er sich klar. Ohne Anita würde sein Leben keinen Sinn mehr machen. Er rannte mit langen Sätzen, rutschte auf Geröll aus, sprang über mit Regenwasser gefüllte Furchen und schrie dabei Anitas Namen. Schreiend bog er um die scharfe Linksbiegung.
    Aber es war nicht Anita, die ihm gegenüberstand, sondern Napoleon de Villiers. Sein Buschhut hing ihm im Nacken, das weiße Kräuselhaar schimmerte im schwachen Licht es Mondes, der sich immer wieder durch die Wolken kämpfte.
    Â»Ich habe Schüsse gehört … ist jemand …« Napoleon musste erst Luft holen, bevor er weiterreden konnte. »Ich meine, bist du unverletzt?«
    Dirk sank förmlich in sich zusammen. »Wo kommst du denn her? Hast du Anita gesehen?«
    Â»Ich bin vom Hof, wo du Anitas Handy gefunden hast, quer durch den Busch gelaufen, aber von ihr habe ich keine Spur gesehen. Ich dachte, das wäre dir gelungen.«
    Â»Sie ist weg.«
    Â»Wie meinst du das  – weg?«
    Â»Weg wie verschwunden. Weg, wie ich habe nicht die geringste Ahnung, wo sie sein könnte.« Dirk presste das Gesicht kurz in beide Hände, dann schaute er mit Tränen in den Augen auf. »Sie war hier. Ich hatte mich bis zum Hof vorgekämpft und habe sie dort vom Zaun aus gesehen  – keine zwölf Meter von mir entfernt. Ich habe sie sprechen hören. Aber nachdem ich endlich den Dornenverhau am Tor überwunden und den Eingang zum Vorplatz erreicht hatte, war sie nicht mehr da. Einfach so!« Er schnippte mit Daumen und Zeigefinger, »So als hätte sie sich in
Luft aufgelöst.« Während er redete, liefen Leon und er den Trichterweg entlang bis zum Haus. Dort angekommen, zeigte Dirk mit dem Daumen auf die Kadaver der Großkatzen, die im Mondlicht deutlich zu erkennen waren. »Und stattdessen waren die zwei Monster in den Vorplatz eingedrungen. Lia hat sie erschossen.«
    Ein Luftzug ließ die Holztür zum Gebäude zuschlagen, worauf plötzliche Stille eintrat. Die drei Menschen schauten hoch. Kein Laut war zu hören. Aus dem Haus nicht, und auch die Tiere im Busch schwiegen, sogar die Zikaden. Es war, als hätte die Welt in dieser Sekunde aufgehört, sich zu drehen.
    Dirk bewegte unruhig die Schultern. Er sah hinauf zum Mond, der jetzt als perfekter, schimmernder Ball in der Schwärze des Weltraums seine Bahn zog. Ihn überlief ein eiskalter Schauer, der nichts mit der Umgebungstemperatur zu tun hatte, sondern mit diesem knochenkalten, furchterregenden Gefühl des Verlassenseins. Um es zu vertreiben, um sich seiner wieder bewusst zu werden, hieb er mit beiden Fäusten auf den Boden, wieder und immer wieder, bis seine Knöchel blutig waren.
    Leon de Villiers beobachtete ihn mit verunsichertem Ausdruck und deutlich besorgter Miene, so als befürchtete er, dass Dirk jede Sekunde ausrasten könnte. Was er dann in gewisser Weise auch tat.
    Â»Nein!«, brüllte er so urplötzlich los, dass Lia und Leon heftig

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