Jenseits
Gesicht.
Ich hätte wütend auf ihn sein sollen.
Und das war ich auch.
Aber ich wusste auch, dass es, ganz egal wie sorgfältig er die beiden Türen verschlossen haben mochte, noch einen anderen Weg nach draußen geben musste. Und ich wusste, dass ich ihn finden würde. Ich musste. Nicht um vor John wegzulaufen, sondern um zurück in meine Welt zu gelangen und meiner Mom sagen zu können, dass es mir gutging. Und um zu beweisen, dass Onkel Chris unschuldig war. Und um dafür zu sorgen, dass meine Großmutter und all die anderen Leute, die von Furien besessen waren, ihre gerechte Strafe erhielten oder zumindest niemandem mehr wehtun konnten, John eingeschlossen. Nie, nie wieder.
Denn ganz egal was John und Mr. Smith sagten, ich war sicher, es würde einen Weg geben, sie aufzuhalten. Es musste .
Und bis dahin wollte ich ihm sagen, wie aufrichtig leid mir alles tat, die Schmerzen, die ich ihm zugefügt hatte, und wie ich ihm das letzte Mal hier in diesem Raum wehgetan hatte.
Ich hatte ihm schon einmal gesagt, wie leid es mir tat, damals auf dem Friedhof. Aber dieses Mal, als ich über das Gesicht strich, das ich eineinhalb Jahre zuvor mit heißem Tee verbrüht hatte, und ihm ins Ohr flüsterte: »Es tut mir leid«, meinte ich es von ganzem Herzen.
John nahm meine Hand und presste seine Lippen auf meine Finger.
»Gib uns diesmal einfach eine Chance«, sagte er mit einem Lächeln, das mein Herz zum Klingen brachte. »Wer weiß? Vielleicht gefällt’s dir hier nach einer Weile sogar.«
Ich lächelte zurück … und mein Blick fiel, ganz unbeabsichtigt, auf das Bett in seinem Rücken.
Mit bangem Herzen wurde mir klar, dass er recht hatte: Es bestand durchaus eine Chance, dass es mir hier gefallen würde.
Und vielleicht war es genau das – und nicht er –, wovor ich mich die ganze Zeit über am meisten gefürchtet hatte.
Nachwort der Autorin
W as geschieht mit uns, wenn wir tot sind? Jede Kultur in der Menschheitsgeschichte hat versucht, diese Frage zu beantworten, von den alten Azteken bis hin zu den Christen und Muslimen. Und jede hat dazu ihre eigene Mythologie entwickelt, stellt sich ein Jenseits vor, in das die Seelen der Verstorbenen eintreten. Es war während meiner Zeit an der Highschool, als ich mich mit diesen Nachwelten beschäftigte, dass ich ein erstes Interesse für Todesgottheiten entwickelte, insbesondere für den Mythos von Hades und Persephone, und die ersten Wurzeln, aus denen einmal Jenseits entstehen würde, zu sprießen begannen.
Jenseits ist natürlich eine frei erfundene Geschichte, aber viele ihrer Aspekte beruhen auf Tatsachen. Etwa zwanzig Prozent der Menschen, die in ihrem Leben einmal nur mit knapper Not dem Tod entronnen sind, berichten von einer sogenannten Nahtod-Erfahrung, während derer sie die unterschiedlichsten Empfindungen durchlebten. Oft ist für sie die Tatsache, dass sie dem Tod nur um Haaresbreite entkommen sind, weitaus belastender als die Nahtod-Erfahrung selbst. Für Pierce Oliviera, die Protagonistin von Jenseits , gilt dies jedoch ganz offensichtlich nicht.
Während der Französischen Revolution wurden König Ludwig XVI . und dessen Gattin, Marie Antoinette, die Kronjuwelen entrissen – sie wurden 1792 aus der königlichen Schatzkammer gestohlen. Ein großer Teil des Schmucks tauchte wieder auf, aber nicht alles.
Der Schauplatz der Ereignisse in diesem Buch ist eng an die Insel Key West im Golf von Mexiko angelehnt. Die Spanier hatten ihr einst den Namen Cayo Hueso gegeben (cayo bedeutet auf Spanisch »kleine Insel«, hueso »Knochen«), und Key West wird heutzutage für eine englische Verballhornung der Worte Cayo Hueso gehalten.
Die Insel erhielt ihren Namen von dem spanischen Konquistador Juan Ponce de León, der der Legende nach auf der Suche nach dem Jungbrunnen gewesen sein soll, als er im Jahr 1515 auf Key West Überreste von menschlichen Skeletten entdeckte, während er mit seinem Schiff die dortigen Gewässer kartierte. Wahrscheinlich stammten die Skelette von den ursprünglichen Bewohnern der Insel, den Calusa-Indianern. Sie waren es auch, die Ponce de León im Jahr 1521 mit einem vergifteten Pfeil töteten.
1846 zerstörte ein Hurrikan der Kategorie fünf, auch der Great Havana Hurrican genannt, beinahe jedes Gebäude auf der Insel, die bis dahin aufgrund ihrer idealen geografischen Lage zwischen den Bahamas, Kuba und New Orleans zum größten Handelsposten des Staates Florida angewachsen war. Die genaue Zahl der Todesopfer ist bis heute nicht
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