Jeremy X
und sich Hoffnung gemacht hatten, nachdem Francesca mit so fliegenden Fahnen die erwartete kritische Phase durchlaufen hatte. Und das machte den Schmerz nur umso schlimmer, als dann zwei Jahre später die ersten Symptome auftraten.
Dass der ALP sich ausgerechnet an ihrem Geburtstag gemeldet hatte, musste für die beiden ein zusätzlicher Schlag gewesen sein. Und als hätte das nicht schon ausgereicht, verschlechterte sich der Zustand ›ihrer‹ Tochter mit erstaunlicher Geschwindigkeit. An ihrem Geburtstag selbst hatte es noch keinerlei äußerlich erkennbare Anzeichen gegeben; innerhalb von sechs T-Monaten war das aufgeweckte, lebhafte Kind, das McBryde aus den Simes-Dateien kannte, gänzlich verschwunden. Nach zehn T-Monaten hatte sie sich vollständig aus der sie umgebenden Welt zurückgezogen. Sie reagierte auf nichts und niemanden mehr. Sie saß nur noch dort, kaute nicht einmal mehr, wenn ihr jemand einen Löffel Essen in den Mund schob.
»Ich habe die Berichte über den Zustand des Mädchens gelesen«, sagte Bardasano völlig sachlich. »Um ehrlich zu sein, ich kann nicht behaupten, dass die Entscheidung des Ausschusses mich überrascht hat.«
»Wie ich schon sagte, ich glaube auch nicht, dass es jemals einen Punkt gegeben hat, an dem sie vielleicht noch hätte geändert werden können«, stimmte McBryde ihr zu. »Aber das wollte Simes nicht hören. Er wies immer wieder auf die Hirnaktivität hin, die in den Elektroenzephalogrammen so deutlich zu sehen war, und er war völlig davon überzeugt, diese Messungen würden beweisen, sie ›sei immer noch irgendwo da drinnen‹, wie er sich ausdrückte. Er war sicher, wenn die Ärzte es nur lange genug versuchen würden, dann würden sie doch noch irgendwie zu ihr durchdringen und den Verfall rückgängig machen können.«
»Nach all den Bemühungen, die sie sich schon gemacht hatten, das Problem bei früheren Fällen zu lösen?« Bardasano verzog das Gesicht.
»Ich habe ja nicht gesagt, er sei logisch vorgegangen«, merkte McBryde an. »Obwohl er daraufhinwies, dass dieses Kind es weiter geschafft hat als jedes andere und seine Tochter dem Ausschuss die beste Möglichkeit dafür böte, einen echten Durchbruch zu erzielen. »Denken Sie, dass er das wirklich geglaubt hat?« Oder hat er lediglich nach einem Argument gesucht, das sie nicht sofort zurückweisen würden?«
»Ich denke, ein bisschen von beidem. Er war verzweifelt genug, jedes Argument zu nennen, das ihm irgendwie einfiel. Aber ich persönlich glaube, er war vor allem so zornig, weil er wirklich geglaubt hat, der Ausschuss ließe sich hier eine einmalige Gelegenheit einfach entgehen.«
Und, setzte McBryde innerlich hinzu, weil diese Hirn-Scans immer noch auf Aktivität hinwiesen. Deswegen hat er so darauf beharrt, sie sei immer noch irgendwo ›da drinnen‹, selbst wenn nichts von dem, was in ihr vorging, es bis an die Oberfläche schaffte. Und er wusste auch, wie wenig die Ressourcen des Ausschusses durch den Versuch belastet würden, seine Tochter wieder zurückzuholen. Herlander ist davon ausgegangen, für das Alignment im Allgemeinen würde jeder Erfolg die Kosten bei weitem überkompensieren ... und diese winzige Investition könne das Leben seiner Tochter retten - sie ihm vielleicht eines Tages sogar wieder zurückbringen.
»Wie dem auch sei«, sprach er dann weiter, »war der Ausschuss nicht der gleichen Ansicht. Die offizielle Entscheidung lautete, es bestehe keine angemessene Aussicht darauf, ihr Zustand werde sich zum Positiven verändern. Eine Fortführung wäre letztendlich nichts als reine Ressourcenverschwendung. Und was die scheinbaren EEG-Aktivitäten betraf, so verschlimmerten diese die Situation nur noch, wenn man die Frage nach der Lebensqualität betrachtete. Also entschieden sie, es wäre unnötig grausam, sie zu einem Leben zu verdammen, in dem sie gänzlich unfähig sein würde, mit ihrer Umwelt zu interagieren - vorausgesetzt, sie wäre sich überhaupt noch bewusst, dass es so etwas wie eine Umwelt überhaupt gab.«
Was klingt, als seien sie unglaublich mitfühlend, dachte er. Vielleicht war es sogar so, zumindest bei einigen von ihnen.
»Also haben sie ihrem Leben ein Ende gemacht«, schloss Bardasano.
»Jawohl, Ma'am.« McBrydes Nasenflügel bebten. »Und wenngleich ich verstehe, worauf ihre Entscheidung basierte, muss ich im Hinblick auf Simes' Leistungsfähigkeit doch anmerken, dass es zumindest ... unglücklich gewählt worden war, das Mädchen genau einen Tag vor
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