Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jeremy X

Jeremy X

Titel: Jeremy X Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
Vom Netzwerk:
behalten.«
    McBryde nickte.
    »Erzählen Sie mir etwas detaillierter, wie sich diese Lage Ihres Erachtens auf ihn auswirkt«, forderte sie ihren Untergebenen auf und kippte ihren Sessel ein wenig zurück. »Mir liegt bereits ein halbes Dutzend Psycho-Analysen über ihn vor, und ich habe über seine Reaktionen - und seine allgemeine Einstellung - auch schon mit Dr. Fabre gesprochen. Aber diejenigen, die diese Analysen abgefasst haben, hatten nicht die Aufgabe, seine Arbeit zu beaufsichtigen. Ich weiß, dass das auch nicht Ihre Aufgabe ist - zumindest sind Sie nicht sein unmittelbarer Vorgesetzter -, aber ich möchte Ihre ganz pragmatische Einschätzung hören.«
    »Jawohl, Ma'am.«
    McBryde holte tief Luft und nahm sich einige Momente Zeit, seine Gedanken zu ordnen. Bardasanos Neigung, spontan entsprechende Einschätzungen zu verlangen, war allgemein bekannt. Sie war schon immer der Ansicht gewesen, mit derartigen ›Spontan-Tests‹, wie sie es nannte, könne man am besten herausfinden, wie jemand denkt, aber zugleich zog sie es vor, ihren unglücksseligen Untergebenen zumindest die Zeit zu geben, einmal kurz nachzudenken, bevor sie alles andere als ausgegorene Antworten von sich gaben.
    »Zunächst einmal«, setzte er schließlich an, »muss ich zugeben, dass ich Simes - keinen der beiden, weder ihn noch sie - jemals besser kennengelernt habe, bevor diese ganze Situation sich entsponnen hat. Und um ehrlich zu sein: Gut kenne ich die beiden immer noch nicht. Aber ich habe den Eindruck, dass die Entscheidung des Ausschusses für Langfristige Planung, das Mädchen auszusondern, ihn innerlich zerreißt.«
    Meine Güte, dachte er. Ist das nicht wirklich eine herzerfrischend kalte Art zu beschreiben, was der Mann gerade durchgemacht hat? Und ist es nicht typisch für diese Mistkerle drüben im ALP, dass sie keinen Moment über die ganzen unerfreulichen sozialen Konsequenzen ihrer Entscheidung nachgedacht haben?
    Bardasano nickte, auch wenn man ihrem Gesicht nicht ansehen konnte, was sie gerade dachte. Natürlich war sie selbst die Vertreterin einer der In-Vitro -Linien des ALP, ging es McBryde durch den Kopf, und das war eine Linie, die schon mehr als einmal Ausschuss produziert hatte. Tatsächlich war sogar mindestens einer ihrer eigenen Klone aussortiert worden, und das erst in der späteren Adoleszenz, wenn er das richtig in Erinnerung hatte. Trotzdem: Während die aussortierte Bardasano fast schon ein genetisches Duplikat von Isabel gewesen war (nicht ganz; natürlich hatte man einige experimentelle Veränderungen darin hervorgerufen), konnte man auf das betreffende Subjekt kaum die Begriffe ›Bruder‹ oder ›Schwester‹ anwenden, zumindest nicht in dem Sinne, wie Jack McBryde sie verstand. Wie viele - sogar die Mehrheit - der In-Vitro- Kinder des ALP war sie in der Retorte gezeugt worden und in einer Kinderkrippe aufgewachsen. Man hatte sie nicht in eine gewöhnliche Familie integriert oder auch nur gefördert, sodass sie so etwas wie geschwisterliche Gefühle‹ für ihre Mit-Klone hätte entwickeln können. Niemand hatte McBryde davon offiziell wissen lassen, aber er vermutete, dass gerade das Ausbleiben eben dieser Förderung gezielt zur Vorgehensweise des Ausschusses gehörte - es war eine Möglichkeit zu verhindern, dass es gegebenenfalls zu einem Loyalitätskonflikt kommen konnte. Also lag das alles möglicherweise einfach viel zu weit außerhalb ihrer eigenen Erfahrung, und so konnte sie Herlander Simes' Zorn lediglich auf einer rein abstrakten, intellektuellen Ebene nachvollziehen.
    »Soweit ich weiß, hat er versucht, gegen diese Entscheidung vorzugehen«, sagte sie.
    »Jawohl, Ma'am«, bestätigte McBryde, obwohl ›gegen die Entscheidung vorgehen‹ in geradezu erbärmlichem Maße zu schwach war, um Simes' rasenden Widerstand zu beschreiben.
    »Aber es hat nie eine sonderlich große Chance für ihn bestanden, irgendetwas zu bewirken«, fuhr er fort. »Meinen Informationen gemäß waren die Vorsitzenden des ALP überzeugt, es bestehe keinerlei Zweifel an der Richtigkeit ihrer Entscheidung. Schließlich kam zu der Frage, inwieweit besagtes Subjekt seinen Nutzen hatte, auch noch die Frage hinsichtlich der Lebensqualität des besagten Subjektes.«
    Wieder nickte Bardasano. Obwohl ihr Untergebener deutlich eingeschränkt hatte, mit dem Fall vertraut zu sein, wusste McBryde doch sehr viel darüber. Zum Beispiel, dass Herlander Simes - und anscheinend auch seine Frau - ihren emotionalen Schutzwall abgebaut

Weitere Kostenlose Bücher