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Jeremy X

Jeremy X

Titel: Jeremy X Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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Reformer, die ein paar Mal zu oft enttäuscht worden waren. Und einige waren Machtmenschen, die im Ruf der Renaissance Association als bedeutendste Reform-Bewegung in der Solaren Liga ein mögliches Werkzeug sahen: ein Brecheisen, eine Möglichkeit für all diejenigen, die nicht selbst Teil der Bürokratie waren, sich mit Gewalt eine eigene Machtbasis zu schaffen.
    Ebenso wenig wie Barregos jemals daran gezweifelt hatte, Hieronymus' Idealismus sei nicht aufrichtig gewesen, zweifelte er daran, dass Jessicas Idealismus bestenfalls eine dünn aufgetragene Tünche war. Sie war im Schatten des Rufes ihres Vaters aufgewachsen, und sie hatte ihr ganzes Leben damit verbracht, ihn dabei zu beobachten, wie er mit seinem Streben nach echten, dauerhaften Veränderungen absolut gar nichts erreichte, während seine Politik sie gleichzeitig gänzlich davon ausschloss, sich in die bereits bestehenden Machtstrukturen einzugliedern. Seine Prominenz, die Art und Weise, wie Reformisten-Dilettanten und ein gewisser Typus der Medienfuzzies - die immer noch gerne ›die schwatzende Klasse‹ genannt wurden - um ihn herumscharwenzelten, brachte sie so nah an die festeingefahrenen Machtstrukturen der Liga heran, dass sie es regelrecht schmecken konnte, und doch würde sie nie dazugehören. Schließlich war sie Tochter und Erbin des ranghöchsten Wahnsinnigen und Chef-Anarchisten, nicht wahr? Niemand wäre verrückt genug, sie auch nur in die äußersten Randbereiche der tatsächlichen Regierungskreise der Solaren Liga einzuladen!
    Und deswegen war sie auch so empfänglich gegenüber Ingemar Cassettis Angebot gewesen, ihren Vater ermorden zu lassen.
    In gewisser Weise bedauerte Barregos, dass Hieronymus' Tod erforderlich gewesen war, doch sein Bedauern hielt sich in Grenzen. Tatsächlich störte ihn am meisten an dieser ganzen Situation, dass sie ihn nicht deutlich mehr störte. Dass ihm die Geschehnisse nicht eine einzige schlaflose Nacht einbringen würden. So sollte es nicht sein, doch Oravil Barregos hatte schon vor Jahren begriffen, dass er, um sein Ziel zu erreichen, unterwegs den einen oder anderen Splitter seiner Seele würde aufgeben müssen. Das gefiel ihm nicht, doch er war bereit, diesen Preis zu zahlen, wenngleich vielleicht nicht ausschließlich der Gründe wegen, die seine Gegner gemutmaßt hätten.
    Doch nachdem Hieronymus nun fort war, hatte Cassetti - der, zu diesem Schluss war Barregos nach reiflicher Überlegung gekommen, die widerlichste Person war, der er persönlich jemals begegnet war, so hilfreich er sich hin und wieder auch erwiesen haben mochte - eine unmittelbare Übereinkunft und ein Bündnis zwischen ihm selbst, in seiner Funktion als Barregos' Bevollmächtigter, und Jessica Stein organisiert. Natürlich war Cassetti nicht bewusst gewesen, dass Barregos über seine Pläne, seinen eigenen Vorgesetzten unauffällig beseitigen zu lassen, Bescheid wusste. Und ebenso wenig hatte sich Cassetti die Mühe gemacht, Barregos überhaupt darüber zu informieren, Hieronymus' Tod sei ein Bestandteil seiner Verhandlungen mit Jessica. Andererseits gab es ohnehin einige Dinge, die er im Zuge dieser Verhandlungen seinem Vorgesetzten gegenüber zu erwähnen vergessen hatte. Zum Beispiel folgende interessante Tatsache: Wenngleich der Vizegouverneur dieses Bündnis mit ihr in Oravil Barregos' Namen geknüpft hatte, hatte er doch von Anfang an in Wahrheit die Absicht gehabt, den Platz des Sektorengouverneurs einzunehmen, sobald er Jessicas Schulden einforderte. Anhand dessen, was Rozsak von Torch berichtete, war deutlich erkennbar, dass Cassetti nicht einmal vermutet hatte, Barregos könne das alles von Anfang an durchschaut und sich deswegen entsprechend eigene Pläne zurechtgelegt haben.
    Ingemar war schon immer eher listig als schlau, sinnierte Barregos grimmig. Und er schien nie für möglich zu halten, andere könnten ebenso tüchtig sein wie er selbst. Was das betrifft, konnte er Menschen auch nie so gut einschätzen, wie er von sich glaubte, oder er hätte sich nicht ausgerechnet an Luiz gewandt, um mir einen Dolch in den Rücken jagen zu können!
    »Ich weiß, dass Sie nie allzu viel Vertrauen in die Effizienz der Association gesetzt haben«, sagte der Gouverneur dann laut. »Was das betrifft, setze ich nicht allzu viel Vertrauen darauf, dass sie überhaupt irgendetwas zu bewirken vermag. Aber das ist nicht der wahre Grund, weswegen wir uns um deren Unterstützung bemühen, nicht wahr?«
    »Nein«, bestätigte Rozsak.

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