Jerry Cotton - 0504 - Der Tiger
Kriseln hinter meiner Fassade.
Connors streckte mir seine gewaltige Pranke entgegen. »Deinen Paß!«
Ich gab ihm den Paß. Er durchblätterte ihn, prüfte das Papier mit den Fingern, er hielt es sogar gegen das Licht, um das Wasserzeichen zu kontrollieren. Dann gab er mir den Ausweis zurück. »Gute Arbeit!« höhnte er. Ich steckte den Paß ein.
»Was soll das heißen?« Ich hatte meine Stimme um eine Nuance verschärft. Es war notwenidg, diese Burschen sofort in die Verteidigung zu drängen. »Wir haben erwartet, daß so ein Clown aufkreuzt und sich die Syndikatsmillionen unter die schmutzigen Nägel zu reißen versucht!« sagte Howard Slim. Er spürte wohl, daß er die Initiative nicht seinem Konkurrenten Connors überlassen durfte. Die Szene war auf unvorhergesehene Weise zu einer Bewährungsprobe für alle Beteiligten geworden. Der Gewinner durfte ziemlich sicher sein, daß die Männer ihn zum Boß wählen würden.
»Ich habe dieses Syndikat gegründet«, stellte ich fest, »zusammen mit Jeff. Ihr habt anscheinend vergessen, wofür die Buchstaben .BBB stehen: Brokley-Brothers-Brainchild!«
Connors Mundwinkel zuckte, als hinge er an einem ruckweise betätigten Marionettendraht. »Das war vor siebzehn oder achtzehn Jahren«, sagte Connors. »Du warst damals noch ein Junge, falls du überhaupt der Mann bist, für den du dich ausgibst! Damals war von einem Syndikat nicht die Rede. Es war bestenfalls eine kleine Gang, ein Haufen Vorstadtrowdys, die mit einigen Automatenknackereien begannen!«
»Stimmt, aber wir lernten rasch«, sagte ich. »Schon nach wenigen Jahren holten wir uns die Bucks ganz hochoffiziell und durchaus legal aus den Automaten. Die Dinger waren nämlich inzwischen in unseren Besitz übergegangen! Ja, Jeff und ich begannen ganz von unten, aber die Gang von damals war die Keimzelle des Syndikates von heute!«
»Du warst nicht dabei, als wir die Organisation aufbauten«, knurrte Connors. »Deshalb hast du kein Recht, hier zu stehen und deine Forderungen anzumelden!«
»Du vergißt Jeffs Testament. Er hat nie ein Hehl daraus gemacht, daß ich sein Nachfolger sein werde.«
»Für Jeff warst du tot und gestorben!«
Patricia King stand auf. »Das ist nicht wahr!« sagte sie erregt. »Jeff hat immer geglaubt und damit gerechnet, daß Arty eines Tages wieder auf tauchen würde!«
»Shut up, niemand hat dich um deine Meinung gebeten!« explodierte Connors.
Howard Slim stand auf. Er schlenderte auf mich zu, die Hände in den Taschen, eine qualmende Zigarette zwischen den schmalen, fast blutleeren Lippen. Das harte, von oben kommende Licht überzog seine Züge mit tiefen Kontrastschatten. Es ließ ihn gefährlich und düster wirken. »Wo hast du all die Jahre gesteckt?« fragte er.
»Was geht dich das an? Ich bin wieder da. Das muß dir genügen!«
Howard Slim spuckte die Zigarette aus. Sie segelte haarscharf an meinem Kopf vorbei und landete funkensprühend auf dem Bühnenboden. »Es genügt uns nicht«, sagte er. »Pässe lassen sich fälschen, mit Ansprüchen kann jeder kommen. Jeff hat kein Testament hinterlassen. So, jetzt weißt du Bescheid. Jeff wollte noch lange leben. Warum also hätte er sich die Mühe machen sollen, ein Testament anzufertigen? Jeff ist tot. Es liegt an uns, seinen Freunden und Mitarbeitern, zu bestimmen, was mit dem Syndikat geschieht und wer seine Leitung übernimmt. Für dich ist hier kein Platz. Du weißt nicht, was in dieser Stadt gespielt wird, und wir wissen nicht, was du hier eigentlich willst. Wir können nur vermuten, daß du gekommen bist, um zu kassieren. Du hast Pech, Arty. Hier gibt es für dich nichts zu holen — höchstens eine Handvoll kleiner gefährlicher Bleikugeln. Legst du Wert darauf, daß wir sie dir gleich jetzt und hier unter die Haut schieben?«
»Das ist nicht fair!« rief Patricia King. Der merkwürdige Glanz in ihren Augen hatte sich verstärkt. »Das ist nicht in Jeffs Sinn! Jeff hat immer erklärt, sein Bruder Arty sei gleichberechtigter Partner, wenn er jemals zurückkehren sollte! Jetzt ist Jeffs Bruder da. Ihr könnt ihn nicht einfach übergehen.«
»Komm doch mal ‘rauf, Patty!« sagte Connors. Seine Stimme klang unnatürlich sanft, sie paßte nicht zu dem vierschrötigen Kopf und dem harten Blick seiner Augen.
»Was soll ich da oben?«
»Ich sagte, du sollst ’raufkommen!« meinte Connors im gleichen Tonfall. Patricia King blickte die anderen Männer an. Sie vermochte in ihren Gesichtern nicht zu lesen, was sie dachten und
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