Jerry Cotton - 0513 - 12 Stunden Todesangst
Juwelierladen…«
In diesem Augenblick verlor Frau Greyton die Nerven. Sie wußte, daß auf der anderen Seite der Leitung die Polizei war. In dieser Sekunde mußte die Entscheidung fallen. Sie war nicht in der Lage, stumm zuzuhören, wie der Junge atemlos und konfus etwas in den Apparat flüsterte.
»Hilfe!« schrie sie gellend. »Hilfe! Polizei! Polizei! Hilfe!«
Die Gangster reagierten, als sei der Blitz eingeschlagen.
Der Boß Benny Rose lockerte seinen Griff in den Kleidern des schmächtigen, aber bärenstarken Francis Ford. Der wiederum ließ seinen riesigen Widersacher los. Lincoln Taylor starrte mit offenem Mund auf den Flur hinaus und schob sich verblüfft seinen Bowler ins Gesicht, als könne er sich auf diese Weise unsichtbar machen.
John Mason aber, der als Bewacher der Greyton-Familie eingeteilt war, wurde blaß. Er schnellte herum und hastete auf seinen leisen Gummisohlen zur Schlafzimmertür.
Mit einem Blick erkannte er, was sich dort abspielte. Er sah den kleinen, tapferen Henry, der mit freien Händen quer über dem Bett lag und den Telefonhörer ans Ohr preßte.
»Schnell, schnell, schnell!« stammelte er jetzt in die Sprechmuschel. »Sie haben es gemerkt und…«
Mason hatte bereits seine Pistole hochgerissen.
»Plaff«, machte es leise.
Ein furchtbarer Schlag riß dem Jungen den Telefonhörer aus der Hand.
Ein Bruchstück des zerschmetterten Apparates traf Henry an der Stirn.
»Plaff«, machte es erneut. Das zweite Geschoß traf das Gehäuse des Apparates. Die Klingel schlug kurz an, dann flogen zerschmetterte Kunststoff- und verbogene Metallteile umher.
Mason sprang vorwärts. Mit der noch rauchenden Pistole wischte er die letzten Reste des zerstörten Telefonapparates aus dem Nachttischfach. Seine linke Hand faßte die Anschlußleitung und riß den Stecker aus der Buchse.
»Aus!« sagte Mason.
Mit entsetzt aufgerissenen Augen wich der kleine Henry zurück, wollte Schutz hinter seinem Vater suchen.
Mason hob die Pistole…
***
»Hallo, Teilnehmer!« rief der Beamte in der Notrufzentrale des Headquarters der City Police noch einmal in die Sprechmuschel. Doch die Leitung summte nur leise und gleichmäßig.
Der Beamte handelte ruhig und entschlossen. Er drückte eine rote Taste auf seinem Vermittlungstisch.
»Überwachung!« klang es ihm entgegen.
»Unterbrochener Notruf auf der drei«, meldete der Beamte, der Henrys Anruf entgegengenommen hatte. »Besteht noch eine Verbindung?«
»Wir prüfen«, kam es ebenso sachlich zurück.
Der Beamte wußte, daß er jetzt eine kurze Weile warten mußte. Er benutzte diese Wartezeit, um einen anderen roten Knopf zu betätigen. Damit löste er ein Achtungssignal beim Einsatzleiter aus, ein Voralarm gewissermaßen.
Gleichzeitig tastete er mit dem anderen Finger nach einem dritten Knopf. Damit ließ er das beim Ankommen eines Anrufs automatisch eingeschaltete Tonband zum Ausgangspunkt der letzten Schaltung zurücklaufen.
»Notruf drei!« klang es aus seinem Kopfhörer.
»Ich höre!«
»Auf drei besteht keine Verbindung. Anrufer ist nicht mehr festzustellen«, teilte der Techniker auf der anderen Seite mit.
»Thanks«, sagte der Beamte.
Mit tausendfach geübten Handgriffen stellte er die Verbindung zum Einsatzleiter her.
»Anruf von unbekanntem Teilnehmer auf Notrufleitung drei«, meldete er kurz. »Überwachung eingeschaltet, Ergebnis negativ. Ich lasse die Gesprächsaufzeichnung laufen. Band läuft jetzt!«
Er hörte noch einmal die wenigen Sätze mit, die ihm eine aufgeregte Kinderstimme zugerufen hatte.
»Sie wollen den Juwelierladen…«, stammelte die Stimme. Dann kam wie aus größerer Entfernung, aber deutlich vernehmbar: »Hilfe, Hilfe! Polizei! Hilfe!« Und wieder die Kinderstimme: »Schnell, schnell, schnell! Sie haben es gemerkt und…«
Wie vor zwei Minuten fuhr der Beamte zusammen, als ein harter, trockener Schlag das Gespräch beendete.
»Ende der Aufzeichnung«, sagte der Beamte in den Apparat.
»Sonst nichts?« fragte der Einsatzleiter.
»Nein.«
»Danke. Ich benachrichtige die Kriminalabteilung. Halten Sie das Band zum erneuten Abspielen bereit.«
Noch während der Einsatzleiter die Anweisung gab, flammte auf der Lichtrufanlage die Alarmziffer der Einsatzbereitschaft auf.
***
»Stop!« kam es von der Tür her.
John Mason ließ die Pistole langsam sinken. Er wandte sich um.
In der Tür stand Benny Rose, der Boß. »Was war los?«
»Dieser kleine Stinker hat telefoniert, Boß, er…«
»Mit wem?« fragte
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