Jerry Cotton - 0522 - Das Maedchen mit dem Killerblick
Aufregung biß sich der alte Sam nahezu selbst ins Knie. Ich antwortete von oben herunter, ich hätte den Kiesel gefunden, und er solle die dreihundert Dollar ’rausrücken oder mir den Stein zurückgeben. Er führte einen Indianertanz auf und wiederholte immer wieder die gleichen Fragen. Er drängte mich gegen eine Wand, und ich mußte ihn zurückstoßen, weil er scheußlich nach Knoblauch stank. Endlich zählte er mir die dreihundert Dollar auf den Tisch. Bei jedem Schein, den er hinblätterte, beschwor er mich, ihm und nur ihm die Steine anzubieten, falls ich noch mehr davon besäße.«
Er schlug Jesse auf die Schulter. »Komm, mein Junge! Wir trinken eine Flasche Bier im ,Crazy Horse‘.«
Giosa hielt ihn zurück. »Besser nicht, Ray! Im ,Horse‘ sind die anderen Jungs. Wenn sie deine Dollar sehen, werden sie wissen wollen, wie du sie aufgetrieben hast.«
»Du hast, recht, Jesse! Wir dürfen keinen Fehler machen.«
Er lehnte sich gegen die Hauswand und nagte an seiner Unterlippe.
»Willst du mit Sombrowsky sprechen, was er für alle Steine zahlt?«
Brant stieß ein verächtliches Schnaufen aus. »Geh los, Jesse, und drück dir die Nase an dem Schaufenster irgendeines Juweliergeschäftes platt. Sie verlangen für Ringe, in denen kleinere Steine als diese hier —« er schlug auf die Brusttasche seiner Lederjacke — »gefaßt sind, zwanzig-, dreißigtausend Dollar. Der Stein, den ich Sombrowsky gab, war sicherlich das Fünfzigfache seiner dreckigen dreihundert wert.«
»Hör auf, Ray! Mir wird schwindlig bei solchen Zahlen! Sombrowsky hat dich also betrogen!«
»Quatsch! Bei uns kommt es auf einen Diamanten mehr oder weniger nicht an. Sombrowsky soll glücklich werden mit seinem Kiesel. Ich wollte nur wissen, ob die Dinger echt sind. Das weiß ich jetzt. Für alle anderen will ich den vollen Preis, Jesse! -Versteh endlich, Junge! Wir sind reich, — einfach stinkreich!« Wieder landete seine Hand auf Giosas Schulter. »Den schönsten Diamanten lasse ich in ’nen Prachtring einbauen und schenke ihn deiner Schwester.«
»Kate wird ihn für Glas halten.«
Brant packte den Freund an den Jackenaufschlägen. »Kein Wort über die Sache zu irgendeinem Menschen, auch nicht zu Kate! Vielleicht dauert es Wochen, bis ich den richtigen Mann für unsere Steine finde. Geh mit!«
»Doch ins ,Crazy Horse’?«
»Nein. Zu Bill!«
»Bill« hieß, nach ihrem Besitzer, eine Kaschemme im Viertel. Wieder mußte Jesse Giosa in einer Türnische warten, während Brant in die Kneipe ging. Er sah, wie Ray mit einem Mann herauskam und mit ihm in einer Seitenstraße verschwand. Zehn Minuten später kam er allein zurück. Er pfiff eine Schlagermelodie.
»Was wolltest du bei Bill?«
»Ich habe die dreihundert Dollar angelegt.«
Als er die schwere Pistole in Rays Händen sah, zuckte Giosa zurück. »Wenn du mit ’nem Schießeisen geschnappt wirst, Ray, gerätst du in Teufels Küche.«
Brant wog die Waffe, eine 40er Luger, liebevoll in der Hand. »Zweihundert Dollar verlangte er und noch einmal fünfzig für das Ersatzmagazin. Jesse, wenn ich die Diamanten verkaufen will, muß ich an die großen Leute heran. Ich kann nicht ›nackt‹ mit ihnen verhandeln. Sie kämen zu leicht auf den Gedanken, mich zusammenzuschlagen und mir die Steine kurzerhand abzunehmen. Das Ding hier wird ihnen nötigenfalls Respekt beibringen.«
Er schob die Luger in den Gürtel unter der Lederjacke. Er zündete sich eine Zigarette an und hielt das Päckchen Giosa hin.
»Paß auf, Jesse«, sagte er, während er dem Freund Feuer gab. »Es ist besser, wenn ich die Steine nicht bei mir trage. Auf diese Weise werden die Leute mit dem großen Geld immer leerlaufen, falls sie versuchen, mich ’reinzu-. legen.« Er zog den Reißverschluß der Brusttasche zurück, zog den Lederbeutel hervor und reichte ihn Giosa. »Du wirst die Steine aufbewahren. Ich weiß, daß ich mich auf dich verlassen kann. Wir sind Partner, Jesse!«
Giosa nahm den Beutel entgegen. »Paß auf, daß dein Alter die Dinger nicht findet«, warnte Ray.
»Keine Sorge!« Er wollte den Lederbeutel einstecken. Brant stoppte ihn mit einer Handbewegung. »Halt! Gib mir einen Stein. Ich muß etwas vorzeigen können.«
Giosa hielt ihm den Beutel 'hin. Ray angelte einen Stein heraus von der Größe eines halben Fingernagels. Er drehte ihn zwischen Daumen und Zeigefinger. »Das wird sie beeindrucken.« Jesse Giosa vergewisserte sich zweimal, daß er den Reißverschluß der Tasche, in der er den
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