Jerry Cotton - 0522 - Das Maedchen mit dem Killerblick
sein soll. FBI soll schon eingeschaltet worden sein. ,Six-Express‘ setzt die Nachforschungen fort.«
***
Ein Pfiff gellte von der Straße hoch. Kate Giosa zuckte zusammen. Ihr Bruder Jesse schob den Teller zurück und sprang auf.
»Das ist Ray«, rief er, sprang zum Fenster und riß es auf.
»Wann wirst du dir endlich einen anderen Freund suchen, Jesse? Wenn Daddy erfährt, daß du noch immer mit ihm verkehrst, wird er dich noch fürchterlicher verprügeln als beim letzten Mal!« Jesse fuhr zu ihr herum und hielt ihr die Faust vors Gesicht. »Willst du mich verpfeifen?« knurrte er gefährlich leise.
Kate Giosa war ein ausnehmend hübsches junges Mädchen. Alles an ihr wirkte weiblich. Alles, bis auf die Augen.
Kate hatte gletscherkalte Pupillen, die gar nicht einmal ihrem Wesen entsprachen. Aber wenn ihr irgend etwas nicht paßte, bekamen ihre Augen einen derart harten Glanz, daß es ihren Mitmenschen kalt den Rücken herunterlaufen konnte.
Jetzt war es wieder bei Kate soweit. Sie schaute ihren Bruder ruhig und durchdringend an. Dann lächelte sie nur und meinte: »Jesse, diese Rolle steht dir nicht. Laß das!«
Jesse Giosa ließ die Faust sinken. »Schwester«, murmelte er leise. »Schwester, du hast den reinsten Killerblick. Weißt du, wie die Kerle, die in den Filmen immer…«
»Hör auf mit dem Unfug«, sagte Kate. Sie kannte die Wirkung ihres Blicks nur allzu genau. Oft war sie selbst dagegen, denn Kate wollte so sein, wie ihr sonstiges Aussehen: fraulich.
»Was hast du eigentlich gegen Ray«, murrte Jesse Giosa. »Du verkennst ihn. Er ist einfach erstklassig. Mit ihm zusammen werde ich so viel verdienen, daß Dad und Mammy nicht mehr arbeiten müssen.«
»Mit ihm zusammen wirst du im Gefängnis landen«, sagte Kate hart.
»Warum verhältst du dich so abweisend? Ray würde dich gern in ein Kino mitnehmen oder zu ’ner Kellerparty.«
Kates Augen verdunkelten sich zornig. »Vielen Dank! Ich lege keinen Wert darauf, das Rauchen von Marihuana zu lernen.«
Wieder wurde gellend gepfiffen. Jesse verzichtete auf die Debatte mit seiner Schwester und beugte sich hinaus. Ray Brant stand vor dem Eingang des Mietshauses, in dem die Giosa-Familie wohnte. Er winkte. »Ich komme ’runter!« rief Jesse, schloß das Fenster und stürmte zur Tür.
Auf der Straße zog Ray Brant seinen Freund in eine Toreinfahrt. Dann zog er eine zusammengefaltete Zeitung aus der Seitentasche seiner Lederjacke. »Lies das!«
Jesse überflog die Meldung in der »Six-Express«. »Du glaubst, es handelt sich um die Kiesel aus dem blauen Ford?«
Brant riß ihm die Zeitung aus der Hand. »86. Straße! Genau dort war es. Sie killten ihn im Haus, weil sie glaubten, er trüge die Steine bei sich. Aber er hatte sie ja im Auto zurückgelassen. Wir waren es, die den Schlitten samt den Diamanten dann klauten. Glaubst du jetzt, daß die Kiesel nicht aus Glas sind?«
Giosa dachte nach. »Hör mal zu, Ray! Ich will auf keinen Fall in einen Mordfall verwickelt werden. Das beste ist, wir werfen die Steine sofort in den Hudson.«
»Du bist verrückt!«
»Okay! Dann packen wir sie ein und schicken sie der Polizei!«
»Wenn wir dabei nur den geringsten Fehler machen, schnappen uns die Polypen. Aber wenn wir die Steine behalten, besitzen wir ein Vermögen!« Giosa fauchte ihn an: »Du bist verrückter als ich! Geh in den nächsten Laden und kauf uns von deinem Vermögen eine Packung Zigaretten! Der Tabakhändler wird dich ’rauswerfen.«
»Natürlich müssen wir die Kiesel erst in Dollar verwandeln!«
»Ganz einfach! Wir fahren nach Manhattan hinein, gehen in irgendein Juweliergeschäft, schütten die Diamanten auf den Ladentisch und fragen, welchen Preis man uns dafür bietet!«
Wütend stieß Ray seinen Freund vor die Brust. »Laß das dämliche Gerede! Ich werde auf der Stelle ausprobieren, ob die Steine einen Haufen Dollar wert sind oder nicht.« Er zog den Reißverschluß der Brusttasche zurück und holte den Lederbeutel heraus.
»Halt die Hände auf!« befahl er und schüttelte zwei Dutzend Steine in Giosas Handflächen. Er wählte einen mittelgroßen Stein aus und ließ Giosa die anderen in den Beutel zurückschütten. Den Beutel verstaute er in der Brusttasche, während er den einzelnen Stein kurzerhand -in die Tasche steckte.
»Ich werde den Kiesel Sombrowsky zeigen«, erklärte er. »Ich werde dreihundert Dollar dafür verlangen. Wenn Sombrowsky nur die Hälfte dafür bezahlt, können wir sicher sein, daß die Steine echt sind.
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