Jerry Cotton - 0527 - Der Killer mit dem Dekollete
High zurückkam.
»Sie denkt in erster Linie an ihre Geschäfte«, antwortete der Chef. »Ob sie gern oder ungern mitmacht, für uns bleibt die Hauptsache, daß sie sich richtig verhält. Unsere Aussichten sind ohnehin düster genug.« Mr. High blickte mich an. »Genauer gesagt, Ihre und Jane Morteens Aussichten sind schlecht.« Er zog eine Schublade des Schreibtisches auf und nahm eine flache Blechschachtel heraus.
»Nichts in Jerome Larsoms Laufbahn und seinem Charakter vermag uns die Hoffnung einzuflößen, daß er sein Wort hält. Mag sein, daß er Sie und Miß Morteen noch als Geiseln betrachtet, bis es ihm gelungen ist, die Staaten zu verlassen, aber zu irgendeinem Zeitpunkt wird er Sie als lästige Mitwisser beseitigen. Genau betrachtet, Jerry, schicke ich Sie in den Tod, wenn ich Sie mit dem Harlington-Geld zu Larsom gehen lasse.«
»Wenn Sie mich nicht gehen lassen, Sir, fällen Sie das Todesurteil über Jane Morteen.«
»Das weiß, ich.« Mr. Highs Gesicht war wie versteinert. »Ich weiß es so genau, daß ich Sie ermächtigen würde, ohne Warnung zu schießen, wenn die Larsom-Leute Ihnen eine Waffe lassen würden. Leider können wir nicht hoffen, daß sie diesen Fehler machen.«
Er öffnete den Deckel der flachen Blechschachtel, Sie enthielt Zigaretten. »In der Hoffnung, Ihre Chancen zu verbessern, Jerry, habe ich mich an die Kollegen des CIA gewandt. Diese Dinger stammen aus der CIA-Werkstatt für spezielle Ausrüstung. Nehmen Sie eines davon in die Hand.«
Als ich die »Zigarette« in den Fingern hielt, fühlte ich, daß es sich um einen Gegenstand aus Glas handelte, der perfekt als Zigarette kaschiert war.
»CIA versieht die Dinger mit unterschiedlichen Füllungen«, fuhr Mr. High fort. »Für Sie, Jerry, kommt eine Sprengladung so wenig in Betracht wie ein Betäubungsmittel. Ich hielt Tränengas, kombiniert mit einem Stoff, der Rauch entwickelt, für die beste Auswahl. Außerdem knallen die Röhrchen heftig, wenn sie zerbrochen werden.«
Er reichte mir die Schachtel. »Ich halte nicht viel von solchem James Bond-Spielzeug«, sagte er, »aber Sie können keinen 38er mitnehmen. Phil, Stephen und Harold werden in der Nähe sein, wenn Sie der Larsom-Gang das Geld übergeben. Wenn Ihre Kollegen den Knall einer Explosion hören, werden sie rücksichtslos eingreifen. Sie dürfen also diese ,Zigaretten' nur benutzen, wenn Sie für sich und Jane Morteen keine andere Chance mehr sehen.«
Er preßte die Lippen aufeinander. »Leider bin ich nahezu sicher, daß Sie das Zeug benutzen müssen.«
Selten hatte ich so viel Bitterkeit in Mr. Highs Stimme gehört.
***
Der Tag war ein Donnerstag. Eine Viertelstunde vor sieben Uhr abends steuerte ich den Jaguar auf die East Side Pier 37. Der Himmel glühte in einem besonders intensiven Abendrot, während sich die Lichtreklamen anschickten, die Nacht für sich zu erobern.
Zwei quergestellte Streifenwagen der City Police verengten die Piereinfahrt zu einem Durchlaß von knapp einer Autobreite. Ein Sergeant gab mit erhobener Hand das Stopzeichen. Nach einem Blick auf den FBI-Ausweis legte er die Hand an die Mütze. »Hier findet eine große Auktion statt«, erklärte er mir.
»Genau dorthin will ich«, antwortete ich und ließ den Jaguar weiterrollen.
Wie eine Mauer standen schwere Wagen mit Kennzeichen aus nahezu allen Staaten der USA um die Auktionshalle der Firma Harlington. Dutzende von kleinen und mittleren Lastern, alle mit geschlossenen Laderäumen, standen zum Abtransport der ersteigerten Pelze bereit. In kurzen Abständen wurden die Wagen an die Rampen dirigiert. Rolltore öffneten sich. Hubstapler rollten Gestelle aus der Halle in die Laderäume.
Zwei Streifenwagen der City Police umkreisten wie Hütehunde die Auktionshalle. Auf den Rampen standen Cops mit Maschinenpistolen, und wenn die Rolltore nach oben glitten, erschienen zuerst Polizisten, bevor die Hubstapler herausrollten.
Ich fand eine Lücke für meinen Jaguar. Der Wagen links neben meinem Schlitten war Hiram Brightens Mercedes. Ich ging zum Personeneingang. Selbstverständlich stieß ich auf zwei Polizisten. Ich präsentierte erneut den FBI-Ausweis.
Einer der Cops sagte in eine Sprechanlage: »Öffnen Sie bitte für Jerry Cotton vom FBI.«
Die Stahltür wurde von innen entriegelt. Neben einem Polizeibeamten stand Hiram Brighten. »Ah, Sie hier, Mr. Cotton!«
Er zog ein Seidentuch aus der Brusttasche und tupfte Schweißtropfen von seinem rötlichen Schnurrbart. »Ich bin überrascht, Sie
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