Jerry Cotton - 0527 - Der Killer mit dem Dekollete
nicht aus einem Kaufhaus stammten. Als sie die Hand hob und uns aufforderte, einzutreten, blitzte am Ringfinger ein Brillant auf wie ein Leuchtfeuer. »Ich bin Diane Harlington«, sagte sie. Phil und ich murmelten unsere Namen.
Diane Harlington mochte auf den ersten Blick nicht besonders hübsch wirken, obwohl es an ihrer Figur nichts auszusetzen gab. Wenn man genauer hinsah, erkannte man einen gewissen Reiz im Schnitt ihres Profils. Ihr Mund war groß, aber schön geschwungen. Ihre Augen hatten eine Farbe zwischen Grau und Blau. Gewohnheitsmäßig kniff sie beide ein wenig zusammen. Vermutlich war sie etwas kurzsichtig und weigerte sich aus Eitelkeit, eine Brille zu tragen. Das hellbraune Haar hatte sie zu einer kunstvollen Turmfrisur hergerichtet. Eine Spange aus Weißgold und Diamanten hielt die Haare zusammen.
Diane Harlington führte uns in den Wohnraum, wies uns zwei Sessel an, öffnete einen Behälter mit Zigaretten und fragte, was wir zu trinken wünschten. Sie gab selber die Antwort: »Vermutlich nichts! Irgendwo las ich, FBI-Agenten müßten ein Nüchternheitsgelübde ablegen.«
»Die Behauptung übertreibt«, lachte Phil. Er blickte sich im Raum um. »Wie in einem Bürogebäude sieht es hier nicht aus, Miß Harlington. Welche Geschäfte betreibt Ihre Agentur?«
Sie zog die Augenbrauen hoch. »Ich glaubte, Sie kämen wegen meiner Geschäfte. Für mich gibt es von Zeit zu Zeit Ärger mit den Behörden, weil sie fürchten, durch meine Hände könnte illegale Ware legalisiert werden.«
»Sie sehen uns ahnungslos.«
»Die Firma Harlington and Son ist die größte Pelzagentur New Yorks. Wir versteigern ganze Schiffsladungen. Klar, daß die Polizei leicht auf den Gedanken verfällt, wir könnten zwischen die legal eingeführten Pelze heiße Ware schmuggeln.« Sie hob beide Hände und lachte. »Bisher mußte man mir meine weiße Weste lassen. Die Polizei will anscheinend nicht begreifen, daß bei der Größenordnung, in der wir unsere Auktionen abwickeln, gestohlene Pelze für fünfzigtausend oder sechzigtausend Dollar ganz uninteressant sind. Außerdem versteigern wir nur Rohware.«
»Veranstalten Sie Ihre Auktion hier?«
»Oh, nein! Wir haben eine Halle und ein Büro auf dem 37. Pier der East-Side.«
»Wer ist der Auktionator?«
Wieder lachte sie. »Ich! Wer sonst?« Phjl zog die Fotos aus der Tasche. »Könnte dieser Lohnstreifen in Ihrer Firma ausgestellt worden sein?«
Sie warf einen knappen Blick auf das Foto. »Ja, das ist eine von uns ausgestellte Lohnabrechnung.«
»Wir möchten herausfinden, für wen Sie ausgestellt wurde. Der Mann bekam 504 Dollar für die Woche. Das ist ungewöhnlich hoch.«
»Sie irren sich. Er erhielt die Summe für die Arbeit von drei Tagen. Wenn wir eine Ladung Pelze aus Kanada oder Skandinavien oder Südamerika erhalten haben, jagen wir sie in drei Tagen und drei Nächten über die Bühne. Sie sollten sich eine Hailington-Auktion ansehen. In zweiundsiebzig Stunden bringe ich Pelze für zwanzig bis dreißig Millionen Dollar an den Mann.«
»Können wir den Namen des Mannes erfahren?«
»Mit dieser Frage sind Sie bei mir an der falschen Adresse. Wir beschäftigen kein ständiges Personal. Wir engagieren unsere Leute unmittelbar vor einer Auktion. Sie sollten mit Brighten sprechen. Er kümmert sich um die Geschäftsbürokratie.«
Sie griff nach dem Telefon und wählte eine Nummer. »Hier ist Diane«, sagte sie, als der Mann sich gemeldet hatte. »In meiner Wohnung sind zwei FBI-Agenten, die Auskünfte über eine unserer Lohnabrechnungen wünschen. Können Sie vorbeikommen, Hiram?«
Sie lauschte, sagte »danke« und legte auf. »Brighten wird in zehn Minuten hier sein. Kann ich Ihnen jetzt einen Whisky einschenken?«
Als Hiram Brighten kam, hielten Phil und ich unseren zweiten Whisky in der Hand. Brighten sah einem Engländer ähnlicher als einem Amerikaner. Er war noch etwas größer als ich, hielt sich aber leicht vornübergebeugt. Sein Gesicht war länglich, etwas gedunsen, und die ein wenig vorquellenden Augen hatten kaum Farbe. Auf der Oberlippe trug er einen rötlichen Schnurrbart. Sein Haar war mittelblond und stark mit grauen Fäden durchmischt. Seine Hand faßte sich, als er sie uns zur Begrüßung reichte, kühl und schlaff an.
Phil zeigte ihm die Fotografie des Lohnstreifens. »Ich möchte wissen, wem Sie diese 504 Dollar auszahlten«, sagte er.
»Die Unterlagen befinden sich im Lagerhaus«, erwiderte Brighten.
»Können wir es noch heute erledigen?«
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