Jerry Cotton - 0530 - Mein grausamster Partner
fehlt«, sagte ich. »Sie haben ihn bei Fat Cat verloren. Verdammt unvorsichtig von Ihnen. Hätte Way das Ding gefunden, sähe es jetzt schlecht um Sie aus.«
Langsam kam sie mir entgegen. Sie streckte die Hand aus, nahm den Clip und befestigte ihn mit einer einzigen, geschickten Bewegung am Ohrläppchen.
»Danke.«
»Warum sagen Sie nicht: Danke, Serge.«
»Wenn’ s Ihnen Spaß macht — danke Serge.«
»Warum haben Sie Fat Cat erschossen?«
»Es war Notwehr. Er ließ mir keine Wahl. Er stand vor meiner Pistole. Aber er tat nicht das, was ich von ihm verlangte. Er riß seine Waffe heraus und richtete sie auf mich — da mußte ich schießen. Töten wollte ich ihn nicht. Das können Sie mir glauben. Sie hätten ihn vielleicht in die Schulter geschossen, oder in den Arm. Aber ich bin eine miserable Schützin. Ich habe einfach abgedrückt. Daß ich seine Stirn getroffen habe, ist reiner Zufall.«
»Sie haben also die Papiere?«
»Natürlich, deswegen war ich ja bei Fat Cat.«
»Und jetzt wollen Sie Kider erpressen.«
Ihr Mund öffnete sich. Weiße Zähne schimmerten, und ein helles Lachen perlte auf. »Aber Mr. Cotton, begreifen Sie denn immer noch nicht…«
»Moment mal! Wie heiße ich?«
»Jerry Cotton — oder etwa nicht?«
»O weh«, stöhnte ich, »mir geht ein Licht auf. Und wie ist Ihr werter Name, Miß? Ich meine den richtigen.«
»Ich heiße wirklich Rondine Bristow, Jerry — ich darf Sie doch so nennen. Das heißt: Besser ist, wir bleiben vorläufig bei Serge. Aber ich bin natürlich nicht die, für die man mich in diesem Hause hält. Um es kurz zu machen — ich bin aus New York und gehöre als Privatdetektivin zur Agentur von Josef R. Wagner. Deshalb kenne ich auch Sie so genau, Jerry. Denn schließlich: Wer aus unseren Kreisen kennt Sie nicht .Daß Sie sich nicht an mich erinnern, darüber bin ich allerdings ein bißchen enttäuscht. Denn vor anderthalb Jahren wurden Sie mir beim Empfang des Oberbürgermeisters vorgestellt. Damals war ich allerdings weißblond und mit einer Intellektuellenbrille maskiert. Trotzdem — an meine blauen Augen hätten Sie sich ruhig erinnern können.«
»Mir bleibt die Spucke weg«, bekannte ich. »Und weiter?«
»Der Gouverneur dieses Staates hat mich engagiert. Die Vorbereitungen dauerten ein halbes Jahr. Dann war ich so aufgebaut, daß mich Nap Kider als Sekretärin aufnahm. Er hält mich für ein Paradepferd der Unterwelt. Was meinen Sie, was das für Mühe gekostet hat. Die Einzelheiten erzähle ich Ihnen später. Jedenfalls bin ich seit zwei Monaten hier, und ich sammle Beweise, Beweise und nochmals Beweise. Alles Interessante ist auf Mikrofilm verewigt und regelmäßig per Post zum Büro des Gouverneurs geschickt worden. Der Sinn der Sache: Kider soll der Prozeß gemacht werden. Und zwar so, daß er für immer ins Zuchthaus wandert. Wie Sie wissen, verfügt die Mafia über großartige Anwälte und läßt niemand aus ihren Reihen fallen. Deshalb mußten die Beweise hieb- und stichfest sein. Der Gouverneur will ganze Arbeit leisten. Das FBI soll erst eingeschaltet werden, wenn genügend Belastungsmaterial vorliegt. Bis gestern hatte ich eine Menge zusammen. Aber das I-Tüpfelchen fehlte noch. Sie wissen, wie ich es mir beschafft habe.«
Ich nickte. »Die Unterlagen von Fat Cat. Jetzt haben Sie also alles beisammen?«
»Ich glaube, es reicht. Kider ist reif.«
»Warum haben Sie das Serge Linko-Märchen erfunden?«
»Aus Angst. Ich habe plötzlich das Gefühl, Kider beobachtet mich. Vielleicht bilde ich es mir auch nur ein. Vielleicht versagen jetzt die Nerven. Jedenfalls sah ich Sie an der Tankstelle. Ich habe Sie sofort erkannt, hielt es aber für besser, weiterzufahren. Dann hörte ich, was sich im Arkansas-Hotel zugetragen hat. Daß Sie sich Allan Gordon nennen und von Ihrer Amtsgewalt keinen Gebrauch machen. Da wußte ich Bescheid und mir kam die Idee.«
»Das hätte ins Auge gehen können.« Sie schüttelte lächelnd den Kopf. »Ich weiß, wie oft Sie in andere Rollen kriechen müssen, um zum Ziel zu kommen. Sie haben Training, sind geistesgegenwärtig und solchen Situationen mehr als gewachsen. Der Erfolg gibt mir recht.«
»Ich hielt es erst für eine Falle und wollte kneifen.«
»Sie haben aber nicht gekniffen.«
Ich grinste. »Damit wären wir fast am Ende — es ist also alles in schönster Ordnung. Wie stellen Sie sich das Finale vor, Mylady?«
»Heute abend sind alle versammelt: Spencer, Stout, Way, Holbrock, Tex, Sam und der
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