Jerry Cotton - 0530 - Mein grausamster Partner
ehrenwerte Nap Kider. Wenn Sie Lust haben, können Sie mit der Festnahme anfangen.«
Ich rieb mir das Ohrläppchen. »Keine schlechte Idee. Zusammen schaffen wir das. Wie heißt der Boß eigentlich mit Vornamen? Nap ist doch eine Abkürzung.«
»Er heißt Napoleon.«
»Das verpflichtet natürlich. Also gut, warten wir bis heute abend. Ich werde die Kerle mit meiner Kanone in Schach halten, sobald sie versammelt sind. Und Sie holen telefonisch Verstärkung heran. Am besten die Stadtpolizei aus Brookhaven. Oder gehört das noch zu Kiders Machtbereich?«
Rondine schüttelte den Kopf. »Dort hat er keinen Einfluß. Ich würde die Kollegen gern schon benachrichtigen. Aber das Risiko, daß hier im Haus ein Gespräch abgehört wird, ist zu groß. Besonders jetzt. Wie ich Kider kenne, mißtraut er uns allen.«
Kokett lächelte sie mich an.
»Also, Jerry, bis später.«
Dann ging sie zur Tür. Ich blieb — um einige Erfahrungen reicher — zurück.
***
Der Nachmittag zog sich wie Kaugummi. Ich war mir überlassen. Gegen vier Uhr wurde es sonnig. Ich ging zu Way und fragte ihn, ob er mir den Buick für eine halbe Stunde leihen könne. Natürlich wollte er wissen, was ich vorhabe. Der Wahrheit entsprechend erklärte ich ihm, das Arkansas-Hotel sei mein Ziel.
Er begriff nicht, und ich mußte auch ihm vorlügen, daß ich mit Irma verlobt sei. Dann überließ er mir gnädig den Wagen, und ich zuckelte los.
Bei meinen Verwandten war die Stimmung auf dem Nullpunkt. Sie hielten das Hotel an diesem Tage geschlossen. Ich fand sie in Irmas Zimmer versammelt, nachdem Fred mich ’reingelassen hatte.
»Der Redakteur hat angerufen«, sagte Tante Helen. »Er wollte alles über dich wissen. Wir haben uns natürlich dumm gestellt. Er ist enttäuscht von dir, hat er gesagt. Als er dich gestern kennenlernte, wäre er jede Wette eingegangen, daß du ein anständiger Kerl bist. Hoffnungen hätte er auf dich gesetzt. Und geglaubt, du wärst gekommen, um hier aufzuräumen. Dann hat er dich mit Kider gesehen.«
»Und mich angespuckt«, ergänzte ich. »Aber spätestens morgen wird er mir im stillen Abbitte leisten.«
»Wieso?« Fred sah mich groß an.
»Das erkläre ich später. Aber ihr könnt bald auf atmen.«
Ich hielt mich nicht lange auf, sondern fuhr in die Stadt. Dort führte ich ein Ferngespräch. Was ich hörte, beruhigte mich. Kurz vor sechs war ich wieder in der Gangsterburg. Hier hatte sich nichts verändert. Spencer, Stout, Way und Rondine waren auf ihren Zimmern. Napoleon Kider ging im Garten spazieren.
***
19.55 Uhr. Die Spannung wuchs.
Kider hatte befohlen, Sessel in die Halle zu schleppen. Jetzt waren Sitzgelegenheiten für alle da. Der Boß thronte auf der Ledercouch, Rondine zu seiner Linken. Sie trug einen gestrickten Hausanzug, mokkafarben und sehr knapp sitzend.
Way, Spencer und Stout hingen in ihren Sesseln. Obwohl ich wußte, daß sie ausnahmsweise mal schuldlos waren, wirkte ihre Nervosität fast ansteckend. Ich hielt mich abseits, so daß ich die Runde überblicken und — wenn es soweit war — mit meinem 38er beherrschen konnte. Noch warteten wir auf das Trio der Gesetzesvertreter.
Eine Minute vor acht hörte ich den Wagen die Auffahrt emporschnurren. Dann kamen die drei herein. Sie bewegten sich wie Cowboys vor einem Colt-Duell.
»Hallo, Nap«, sagte Holbrock. Dabei warf er mir einen rezeptpflichtigen Blick zu. Sam und Tex bleckten, als sie meiner ansichtig wurden, die Zähne — böse und grimmig wie junge Werwölfe.
»Ihr wißt alle, weshalb ich euch habe herkommen lassen. Aber — ihr wißt noch nicht, daß ich den mutmaßlichen Täter bereits kenne.«
Schnell, so schnell, wie ich es ihm nie zugetraut hätte, fuhr seine Hand unters Jackett. Eine Zehntelsekunde später schwenkte die unheilvolle Mündung einer Coltautomatik durch die Luft.
»Einer unter uns«, sagte er, »ist ein Verräter, ein Lump, ein Schwindler und Lügner. Wahrscheinlich hat er Fat Cat umgebracht und sich die Unterlagen angeeignet.«
Ohne den Kopf zu wenden, brüllte Kider plötzlich: »Charles, komm her.«
Ich stand mit dem Rücken zu dem Gang, in dem ich mich beim ersteh Besuch in diesem Hause versteckt hatte. Von dort tappten Schritte heran, kamen näher, kamen auf mich zu. Kiders Speerblicke spießten jetzt in mein Gesicht, und seine Waffe zielte klar auf mich.
Charles blieb hinter mir stehen. Eine Pranke mit blondem Flaum auf dem Handrücken griff um mich herum. Und schon war ich den 38er los. Dann trat Charles
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