Jerry Cotton - 0539 - Die Tochter des Spions 3 of 3
kann. Wenn er es darauf anlegt, fliege ich hier ’raus und finde nie wieder eine Stellung.«
»Hm.«
»Sie glauben mir nicht, Mr. Cotton?«
»Doch, doch. Also werde ich mich um diesen Herold ein wenig kümmern. Aber das hat Zeit bis später. Wichtig ist im Augenblick nur Gloria Ellwanger. Wer bezahlt ihr Schulgeld?«
»Sie hat ein Konto auf einer Bank in Petersburg. Offenbar ein ansehnliches Konto. Sie hat dieses Jahr ihren Führerschein gemacht und sich sofort einen Jaguar, einen teuren Sportwagen, gekauft.«
»Wie können wir es einrichten, daß ich das Mädchen ständig unter Kontrolle habe?«
»Ständig unter Kontrolle — das ist unmöglich.«
Allan Fletch bemerkte mein Stirnrunzeln und erklärte: »Nachts haben männliche Erzieher im Mädchen-Trakt nichts zu suchen. Zum Unterricht kann ich Sie natürlich nicht hinzuziehen. Oder?«
»In meinen Papieren steht was von Geschichtslehrer?« Ich räusperte mich. »Aber das nehmen mir höchstens Ihre jüngsten Schüler ab.«
»Unterricht scheidet also aus. Und als Erzieher müssen Sie sich um die Jungen kümmern. Ich habe hier«, er griff nach einem eng mit Maschine beschriebenen Bogen, der auf dem breiten Schreibtisch lag, »alles schriftlich festgehalten, was Sie wissen müssen. Wenn Sie sich danach richten, müßte es zunächst klappen.«
Ich nahm den Bogen, faltete ihn und schob ihn in meine Brieftasche. »Wann haben die Mädchen Freizeit?«
»Um 6.30 Uhr stehen wir auf«, begann er weitschweifig. »7.15 Uhr ist gemeinsames Frühstück im Speisesaal. Von 8 bis 13 Uhr Unterricht. Dann Mittagessen. 14 bis 17 Uhr ist Freizeit, Stadtgang für alle. 17 bis 19 Uhr Arbeitsstunde. Dann gemeinsames Dinner. Um 20.30 Uhr ist Nachtruhe für die Kleineren. Für die Größeren um 22.30 Uhr. Was die Erzieher dabei zu tun haben, steht auf dem Blatt.«
»Das sieht nicht so aus, als könnte ich mich viel um Gloria Ellwanger kümmern.«
Fletch zuckte die Achseln. »Eine Beamtin hätte es leichter. Immerhin: Nachts ist das Haus geschlossen. Da kann sie nicht verschwinden. Auch vormittags besteht kaum eine Möglichkeit. In der zweiten Tageshälfte aber müßten Sie es einrichten, daß Sie ständig in Glorias Nähe sind.«
»Womit beschäftigt sie sich nachmittags?«
»Sie geht mit ihrem Freund an den Strand. Sie fährt hinüber nach Petersburg oder Tampa. Oft ist sie auf den Sportplätzen. Übrigens, das wäre noch eine Möglichkeit, Sie für den Unterricht einzuteilen, Mr. Cotton. Sie sehen sehr sportlich aus. Wenn Sie dazu Lust haben?«
»Hm. Würde mir Spaß machen. Aber es paßt nicht zu meiner Rolle.«
»Entschuldigen Sie, aber das verstehe ich nicht. Warum sollen Sie den Trottel spielen?«
»Wir vermuten«, erklärte ich, »daß Gloria über ihren Vater genau Bescheid weiß, also unter einer Decke mit ihm steckt. Beide können sich ausrechnen, daß sich die Polizei jetzt um Gloria kümmert. Zumal sie den einzigen Ansatzpunkt bietet, von dem eine Spur ausgeht — eine Spur, die zu Ellwanger führen kann. Ich nehme an, das Mädchen ist zur/Zeit auf der Hut. Taucht hier ein neues Gesicht auf, kann sie mißtrauisch werden. Je mehr dieser Neue einem FBI-Agenten ähnelt, um so vorsichtiger wird sie sein. Das würde meine Arbeit erschweren. Benehme ich mich aber wie eine Flasche, wird sie keinen Gegner in mir vermuten.«
»Auch ein Polizist kann sich verstellen.«
»Natürlich. Das Ganze ist ja auch nur ein Versuch. Ob ich Erfolg habe, wird zum Teil davon abhängen, wie glaubhaft ich den Trottel spiele. Im übrigen sehe ich jetzt schon, daß ich allein nicht auskomme. Hier auf dem Schulgelände habe ich das Mädchen im Auge. Aber ich kann nicht auf jeder Spazierfahrt hinterherschleichen. Das muß ein anderer besorgen. Er muß die Beschattung außerhalb des Schulgebäudes übernehmen.«
Ich dachte an Phil. Hoffentlich stand er zur Verfügung. Am besten, ich rief heute noch Mr. High an. Phil war zur Zeit in Alaska und kümmerte sich dort um die Spionage- und Sabotageabwehr, die unsere Verteidigungseinrichtungen zum Ziel hatten. Aber so dringlich war das meiner Ansicht nach nicht mehr. Denn die Bowl-Gruppe war ausgeschaltet, und Ellwanger hatte sein Ziel geändert, falls ich Binghams Worten glauben konnte.
»Heute abend beim Dinner stelle ich Sie den Kollegen vor«, sagte Fletch. »Jetzt zeige ich Ihnen Ihr Zimmer.«
***
Es war später Nachmittag. Ich hatte mit Mr. High telefoniert. Er billigte meinen Vorschlag. Phil war benachrichtigt und auf dem Wege hierher.
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