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Jerry Cotton - 0546 - Der Gefaehrte des Grauens

Jerry Cotton - 0546 - Der Gefaehrte des Grauens

Titel: Jerry Cotton - 0546 - Der Gefaehrte des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
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anbettelte, war ein verhinderter Professor, ein Beinahe-Millionär oder ein verschobener Boxweltmeister.«
    »Ich bin nichts dergleichen, aber ich habe einige Erfahrungen. Bevor ich erwischt wurde, war ich ein tüchtiger Mann in New York. Die Gangbosse über boten sich, um mich für ihre Vereine anzuheuern. Einer von ihnen nannte mich seinen tüchtigsten Mann.«
    »Alles Angabe!« Der Ex-Catcher ließ sich nicht beeindrucken. »Verschwinde! Ich mische mich nicht ’rein, wenn Rod sich einen Spaß mit dir macht.«
    Er hob den Kopf und blickte über mich hinweg zum Eingang. Die Gespräche in der Kaschemme verstummten. Der großkarierte Harry Rod behielt den Mund offen und zeigte sein goldgepflastertes Gebiß. Auch ich drehte mich um.
    Das Mädchen trug ein graues, unauffälliges Jackenkleid. Das dichte Haar lag wie eine Kappe um den Kopf. Ich weiß nicht, wie ein Frisör die Farbe bezeichnet. Mich erinnerte sie an Sonnenlicht über einem Weizenfeld. Schon die Farbe des Haares paßte so wenig in diese üble Kneipe wie das ganze Mädchen. Es war mehr als mittelgroß, mit langen geraden Beinen. Die Bewegungen waren locker und geschmeidig. Als sie an mir vorbeiging, sah ich das kühne Profil, einen großen Mund mit geschwungenen Lippen und blaugraue Augen, die von dunklen, fast schwarzen Wimpern umrandet waren. Das Gesicht war sonnengebräunt.
    Die Mariner starrten das Mädchen an, als wäre die Sonne plötzlich im Westen aufgegangen, statt im Osten. Harry Rod schloß seine goldgepflasterte Mundhöhle, grinste und riß den ersten dreckigen Witz.
    Das Mädchen musterte mich mit einem raschen Blick. Für eine Sekunde krümmten sich die Lippen zu einem Ausdruck der Verachtung. Zwischen mir und den Matrosen um Harry Rod kam sie an die Theke, beugte sich vor und sagte: »Ich möchte Sie sprechen, ,Number One.« Selbst in dem vor Fettmassen fast ausdrucksunfähigen Gesicht des Ex-Catchers zeichnete sich fassungsloses Staunen ab. Bevor er antworten konnte, machte sich Rod an das Mädchen heran.
    »Sprich mit uns, Süße!« röhrte er. Er stieß seine Kumpane auffordernd in die Rippen. Sie grinsten, nickten einander zu und setzten sich in Bewegung. In wenigen Sekunden hatte sich der Kreis der Männer um das Mädchen geschlossen.
    »Lassen Sie mich in Ruhe! Ich wünsche mit dem Wirt zu sprechen. Mr. Number One, sagen Sie den Männern, sie sollen mich nicht belästigen!«
    »Number One« stellte sich taub. Die Zeiten, in denen er Randalierer eigenhändig zur Vernunft gebracht hatte, waren längst vorbei. Er hantierte mit seinen Flaschen und ließ Bier in ein Glas laufen.
    Rod legte einen Arm um das Mädchen. »Du hast Glück, Süße!« trompetete er. »Du platzt herein und findest die Gesellschaft der feinsten Jungs zwischen Portland und New York! Was willst du trinken?« Er wartete die Antwort nicht ab.' »Doppelten Scotch, ,One‘! Die Lady muß aufgeheizt werden. Ich kann fühlen, wie kalt sie ist.« Er schob eine Hand unter die Jacke des Mädchens. »Gut geformt, aber kalt!« schrie er. Die Seeleute johlten.
    Das Mädchen drehte sich aus seinem Griff und sagte schneidend: »Wenn Sie mich nicht sofort freigeben, werden Sie Ihr blaues Wunder erleben!«
    »Blau werden wir auch ohne deine Mithilfe, Süße. Fangen wir mit dem Spaß an! Küß jeden von uns, und hinterher knobeln wir aus, wer bei dir ’ne ernsthafte Chance erhält!« Die Männer lachten brüllend auf.
    Ich kannte Kaschemmen wie »Number One« zu Dutzenden, und ich wußte genau, was alles in solchen Kneipen passieren konnte. Ich löste mich aus der Ecke, zog einen rothaarigen Iren aus dem Kreis um das Mädchen, schob einen Braunen und einen Farbigen zur Seite und stand vor Harry Rod, der gerade die Arme reckte, um das Mädchen an sich zu reißen.
    »Kann ich mich an diesem Spielchen beteiligen?« fragte ich, Harry Rod schob das Kinn vor. »Gerne!« sagte er. Ohne Warnung feuerte er einen wüsten rechten Schwinger ab. Ich tauchte unter dem Hieb weg, und im Auftauchen konterte ich mit einem hochgerissenen Haken. Er kassierte ihn voll am Kinn, flog gegen seine Freunde und wäre gestürzt, wenn ihn die Männer nicht aufgefangen hätten.
    »Verschwinden Sie!« zischte ich dem Mädchen zu. »Vorwärts! Der Zauber fängt erst an!«
    Sie nutzte die Sekunden der Verwirrung, duckte sich und verschwand. Die Seeleute stellten Harry Rod auf die Füße. Noch zeigten seine Augen den glasigen Ausdruck des angeschlagenen Mannes. Aber schon breitete sich die Wut über seinem

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