Jerry Cotton - 0546 - Der Gefaehrte des Grauens
Kratzspuren, ihrj Hals Würgemale. Ich berührte ihren Mund, aber ich spürte keinen Atem.
Phil kam zurück. Er beugte sich über das Mädchen. »Versuch es mit Wiederbelebung!« sagte er. »Sie hat noch eine Chance!«
Ich kniete hinter Diane, faßte ihre Arme an den Handgelenken, zog sie nach hinten und preßte sie dann vorn über der Brust zusammen. Phil hob das Telefon auf, stellte fest, daß es noch funktionierte, und alarmierte die Polizei über den Notruf. »Noch einmal einen Rettungswagen und einen Arzt« sagte er. »Villa von Paul Colon! Seal Boulevard 1200!«
Es dauerte fünf Minuten, bis Diane Jagg den ersten deutlich vernehmbaren Atemzug tat. »Sie hat es geschafft« sagte Phil. »Unternimm nichts mehr, bis der Arzt hier ist!« Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn. Dianes Augenlider zitterten. Ihr Atem ging pfeifend und ein wenig keuchend. Dann öffnete sie die Augen. Sie starrte Phil und mich an, erkannte uns. Eine winzige Falte zeichnete sich in den Augenwinkeln ab, die Spur eines Lächelns.
***
Phil und ich trugen Abendanzüge. Wir saßen in der Halle des First-Connecticut-Hotels in New Haven und warteten auf Diane Jagg. Außer uns mochten in der Halle noch rund fünfzig bis .sechzig Gäste sitzen.
Mit zehn Minuten Verspätung verließ Diane den Lift. Sie trug ein halblanges Abendkleid aus nachtblauer schwerer Seide. Über ihrem Arm lag ein Nerzcape. Das Haar hatte sie zu einer kunstvollen Frisur verändert. Um ihren Hals lag eine vierfache Perlenkette.
Die Männer in der Halle ließen die Zeitungen sinken, unterbrachen die Gespräche, rückten an den Brillen. Die Ladys rümpften die Nasen, zogen die Augenbrauen hoch und die Mundwinkel herunter. Es gab niemanden in der Halle, der Diane Jagg nicht zur Kenntnis nahm.
Phil und ich schossen aus unseren Sesseln hoch. »Hallo!« sagte sie und hakte uns beide unter. »Gehen wir! Ich habe einen mörderischen Hunger.«
Wir hatten einen Tisch im Sea-Tower-Restaurant bestellt. Der Tisch stand an einem der großen Panoramafenster, so daß wir einen großartigen Blick auf das Lichtergefunkel des Hafens hatten. Phil übernahm es, das Dinner zusammenzustellen. Er ist ein Fachmann in feiner Lebensart und versteht viel mehr von solchen Sachen als ich. Als Aperitif bestellte er Wodka mit einer Olive und zwei Tropfen Angostura-Bitter.
Diane blickte aus dem Fenster. »Wo liegt der Schuppen, Jerry, in dem alles zu Ende ging?« fragte sie.
»Zu Ende ging es in Colons Villa«, verbesserte ich. »Der Schuppen liegt zweihundert Yard rechts von der Laternengruppe, neben Pier 30.«
Der Wodka wurde gebracht. Wir tranken einander zu. »Geben Sie mir eine Zigarette«, bat Diane. Sie sog den Rauch ein. »Jetzt, da alles vorüber ist, habe ich das Gefühl, als hätte ich immer gewußt, daß Paul Colon der Mädchen-Mörder von New Haven war«, sagte sie nachdenklich.
Phil und ich grinsten. »Wenn Sie in Ihrem Beruf etwas älter geworden sind«, sagte Phil, »werden Sie wissen, daß man sich immer nach jedem gelösten Fall mit der flachen Hand auf die Stirn schlagen und ausrufen möchte: ›Klar, daß dieser Bursche der Täter war.‹ Vorher sieht es ganz anders aus.«
»Bis zur Ermordung Vera Gardners bestand keine Verbindung zwischen Colon und seinen Opfern. Er tötete Mädchen, die ihm über den Weg liefen, wenn er, vori Mordlust getrieben, durch die Straßen irrte. Er hatte diese Mädchen vermutlich vorher nie gesehen. Aber wenn die Tat vollbracht war, verwischte er sehr geschickt seine Spur. Alles in allem war er ein intelligenter Bursche.«
»Gerade wegen seiner Intelligenz kann ich nicht begreifen, daß er sich zu solchen Mordtaten hinreißen ließ.«
»Colon ist ein Fall von Schizophrenie«, sagte Phil. »Bewußtseinsspaltung! Aber die Trennung ist nicht scharf ausgeprägt. Der Mörder Colon begeht seine Verbrechen in einem Zustand blindwütigen Rausches, aber der intelligente, wohlhabende Bürger Paul Colon setzt alle seine Fähigkeiten ein, um den Mörder vor Entdeckung zu schützen .«
Diane drehte das Glas zwischen den Fingern. »Aber Vera Gardner war seine Verlobte. Er hatte an diesem Abend seine Verlobung mit ihr gefeiert. Wie konnte er in der Nacht hingehen und sie ermorden? Ich begreife es nicht.«
»Normale Menschen können nicht begreifen, was sich im Gehirn eines Mörders abspielt. Auch bei Colon werden wir die wirklichen Beweggründe nie völlig erfassen können. Vielleicht hatte er den Außenaufzug nicht in der Absicht instand gesetzt, Vera
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