Jerry Cotton - 0555 - Der Moerderboss von Honolulu
um dort Waffen, Munition und eventuelle Hilfe zu finden.
Alle Männer hatten die gleichen Fehler gemacht. Sie waren Sharon nicht davongelaufen, sondern hatten exakt das getan, was sich vorausberechnen ließ.
Ich durfte die Fehler nicht wiederholen. Es wurde Zeit, daß ich mir etwas anderes einfallen ließ. Ich hatte auch schon eine Idee. Ich würde in das Schloß zurückkehren!
Ich war beinahe sicher, daß keines der Opfer diesen Schritt gewagt hatte. Nach den mit dem Gewehrschrank und den Fernsehkameras gemachten Erfahrungen hatten sie es bei dem ersten gescheiterten Versuch belassen. Ich war überzeugt davon, daß Sharon und seine Männer mit allem möglichen rechneten, nur nicht mit einem zweiten Besuch des genasführten Opfers.
Ich fühlte mich irgendwie befreit, als mir dieser Gedanke kam. Aber schon im nächsten Augenblick fragte ich mich, ob er ausführbar war. Die Kombination von Hunden, Fernsehkameras und Wachmännern erschien mir geradezu übermächtig. Es war allerdings anzunehmen, daß Sharon die Hunde nur für die Jagd freiließ. Was die Gangster betraf, so waren sie vermutlich ziemlich sorglos. Sie vertrauten ganz auf Sharon und auf die Wirkung der elektronischen Alarm- und Warnanlagen, die es zweifelsohne an bestimmten Stellen des Hauses gab.
Die Warnanlagen waren abhängig von der Versorgung mit elektrischer Energie. Die Insel besaß kein eigenes Stromnetz. Das Schloß und die Ferienhäuser hatten jeweils eigene Aggregate, die den erforderlichen Strom erzeugten.
Ich wollte an das Aggregat des Schlosses herankommen. Mit diesem Ziel vor Augen setzte ich meinen Weg durch die Nacht fort. Die Leuchtziffern meiner Armbanduhr wiesen auf drei, als ich endlich den Schloßpark erreichte. Ich machte eine kurze Pause und lehnte mich gegen feinen Baumstamm.
In der Stille, die mich umgab, vernahm ich zum erstenmal deutlich das leise Tuckern des Dieselmotors, der das Aggregat speiste. Ich folgte dem Geräusch und stand kurz darauf vor einem flachen Ziegelbau, der einem Trafohäuschen glich und sich am nördlichen Parkende befand. Das Häuschen war durch eine Stahltür verschlossen. Die Tür hatte nur ein einfaches Schloß. Nach kurzem Überlegen zog ich den Gürtel aus den Schlaufen meiner Shorts. Der Gürtelverschluß hatte eine extrem lange Metallzunge. Ich klemmte sie unter die Tür und bog sie mir zurecht. Dann benutzte ich sie als Dietrich. Leider faßte sie nicht. Die Arbeit war umsonst gewesen.
Ich ging um das Häuschen herum. An der Schmalseite befanden sich zwei Luftschächte. Sie waren mit einem quergerippten Metalleinsatz verkleidet. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und riß so lange an einem der Rahmen herum, bis er sich aus seiner Verankerung löste. Das entstandene Loch war gerade groß genug, um mich hindurchzulassen. Ich stieß erleichtert die Luft aus, als ich im Inneren -des Häuschens stand.
Ich überlegte kurz, ehe ich das Licht anzuknipsen wagte. Die beiden Lichtschächte wiesen zum Meer hin und konnten mich nicht verraten, obwohl die Gefahr bestand, daß das austretende Licht einen Lichtstrahl bilden würde. Ich mußte das Risiko jedoch auf mich nehmen. Erstens konnte ich in der Dunkelheit nicht arbeiten, und zweitens war anzunehmen, daß die Schloßbewohner um diese Zeit schliefen.
Über dem Dieselmotor war ein gewaltiger Treibstofftank angebracht. Ein dünner'Metallschlauch verband ihn mit einem durchsichtigen Glasgefäß, das als Filter und Kontrollstation diente. Von diesem Gefäß sickerte der Treibstoff in die Maschine.
Der Glasballon enthielt nicht viel mehr als einen Liter Dieselöl. Ich kappte die Verbindung zwischen dem Treibstofftank und dem Klarsichtgefäß und kletterte durch die Luftschachtöffnung ins Freie. Anschließend zwängte ich den herausgerissenen Rahmen wieder in seine Halterung.
Nach meinen Berechnungen reichte der Inhalt des Gefäßes im Höchstfälle für eine Betriebsdauer von zwei Stunden. Um diese Zeit, also gegen fünf oder halb sechs Uhr, würden die Schloßbewohner noch schlafen. Wenn sie aufstanden, war es hell. Vielleicht bemerkten sie dann nicht sofort, daß der Strom ausgefallen war.
Als ich mich auf das Schloß zubewegte, stoppte ich, weil mir einfiel, daß meine Kalkulation einen schwachen Punkt hatte. Spätestens, wenn Vivian oder einer der Männer sich um das Frühstück kümmern würden, mußten sie den Ausfall des Aggregates entdecken.
Ich machte kehrt und kletterte nochmals in das Ziegelhäuschen. Diesmal unterbrach ich die
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