Jerry Cotton - 0555 - Der Moerderboss von Honolulu
vertraut. Ihr fast lächerlich anmutender Eifer und ihre Demonstration der Ergebenheit hatten mich glauben lassen, daß sie es ernst meinte. Statt dessen war sie in den Keller gegangen, um Ronald B. Sharons Streitmacht zu befreien.
Ich erhob mich langsam. Ich war in diesem Moment bereit, mich zum größten Idioten des Landes erklären zu lassen. Ich schaute Sharon an und stutzte. In seinen Augen war nichts von dem Triumph zu finden, den ich nach Lage der Dinge darin erwarten konnte.
Ich wandte mich langsam um. Der Mann, der vor mir stand, hatte eine Maschinenpistole in seiner Rechten. Auf der Schwelle standen zwei weitere Männer. Auch sie waren mit Maschinenpistolen bewaffnet. Die Männer waren etwa in meinem Alter. Ich sah sie zum erstenmal.
Der Mann vor mir grinste plötzlich und ließ seine Waffe sinken. »Ach, Sie sind’s, Cotton!« sagte er und streckte mir zum Gruß die Hand hin. »Meine Name ist Fletcher. Derek Fletcher vom District Office in Honolulu!«
Ich mußte mich wieder setzen. Ich war gerade noch dazu imstande, die dargebotene Hand zu berühren. »Sie haben mir einen schönen Schrecken eingejagt! Wo kommen Sie denn plötzlich her?«
»Direkt aus dem Hafen. Wir haben uns Ihretwegen Sorgen gemacht, Sir. Sie schickten keine Funksprüche und reagierten nicht auf unsere Anfragen. Der Distriktchef erteilte uns daraufhin den Befehl, auf Nihoa nach dem Rechten zu sehen. Als wir im Hafen Ihre versenkte Jacht entdeckten, wußten wir, daß wir rasch zu handeln hatten.«
Die Männer an der Tür blickten zurück. Vivian Benson erschien auf der Schwelle. Sie sah erstaunt aus und hielt einen Tumbler mit Orangensaft in der Hand.
Fletcher schenkte Vivian einen kurzen bewundernden Blick, dann wandte er sich wieder mir zu. Mit einer Kopfbewegung zu dem gefesselten Sharon hin, meinte er: »Offenbar haben Sie die Arbeit schon vor unserem Eintreffen erledigt, Sir. Herzlichen Glückwunsch! Darf ich fragen, was es gegeben hat?«
»Sofort«, sagte ich und nahm Vivian den Becher aus der Hand. »Aber erst muß ich mir mal einen genehmigen!«
***
Ich verließ die Insel erst zwei Tage später mit einem Schnellboot der Küstenwacht. Unsere Fahne wehte auf halbmast. Die Mannschaft stellte eine Totenwache. An Bord befanden sich Ronald B. Sharons Opfer. Ich hatte es mir nicht nehmen lassen, an der Überführung teilzunehmen. Das war ich Stapleton und den anderen schuldig.
Sharon, Vivian Benson und die anderen Gefangenen waren noch am Tage ihrer Verhaftung von zwei FBI-Helikoptern nach Hawaii geflogen worden. Von dort hatte man sie nach einem ersten Kurzverhör auf das Festland gebracht.
Nachdem ich in Honolulu Bericht erstattet hatte, flog ich mit einer Boeing 707 nach New York zurück. Vor dem Terminal des Kennedy Airports erwartete mich mein Freund und Kollege Phil Decker mit meinem roten Jaguar.
»Gut siehst du aus«, sagte er grinsend, nachdem wir uns die Hände geschüttelt hatten. »Richtig braun gebrannt, wie eine Kokosnuß. Es ist nicht zu fassen, wieviel Dusel du hast! Während ich gezwungen war, hier im Asphaltdschungel herumzutoben, konntest du auf einer romantischen Südseeinsel Hula-Hula tanzen, was?«
»Der Tanz, den ich dort kennenlernte, hatte einen anderen Namen«, sagte ich und kletterte in den langgestreckten Flitzer. »Es war so eine Art Sensemann-Slop.«
»Tanzt man den nur auf Nihoa?« fragte Phil.
»Nein«, antwortete ich, »aber dort hättest du seine aufregendste Version kennenlernen können.«
ENDE
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