Jerry Cotton - 0567 - Auf Bestellung eine Leiche
Schreibtischkante, ungefähr auf die gleiche Stelle, auf der Chilton gesessen hatte, klemmte den Telefonhörer zwischen Schulter und Ohr und wählte die Telefonnummer.
Die Lautsprecheranlage war noch eingeschaltet. Es knackte, als am anderen Ende der Hörer abgenommen wurde. Eine Frauenstimme sagte: »Sie sind mit einer automatischen Telefonanlage verbunden. Die Anschlußnummer ist Barrow 4-6621. Bitte, nennen Sie jetzt Ihre Wünsche, die auf Tonband aufgezeichnet werden. Der Anschlußinhaber bemüht sich um prompte Erledigung. Vergessen Sie nicht, Ihren Namen und Ihre. Telefonnummer zu nennen. Sprechen Sie jetzt!«
»Lyonel Brook — Lessford 7-4133 —, Sie haben schon einmal für mich gearbeitet. Erinnern Sie sich?« Ihm fiel ein, daß sein Gesprächspartner ein Tonband war, von dem er keine Antworten erwarten durfte. »Ich habe neue Aufträge für Sie, die prompt erledigt werden müssen. Ich nenne die Namen: Herbert Chilton. Er läßt sich Herbie rufen. Früher besaß er ein kleines Haus in Williamsburg, Rodney Street 64, und ich glaube, daß er noch dort wohnt. Die beiden anderen heißen Nick Rivera und Jerome Weed. Ich kenne ihre Adressen nicht, aber ich nehme an, daß sie häufig mit Chilton Zusammentreffen werden.« Er holte tief Luft. Auf seiner Stirn glänzten Schweißtropfen. Wieder vergaß er, daß nur ein Tonband seine Worte aufzeichnete. »Hören Sie«, sagte er eindringlich, »es ist wichtig, daß Sie es prompt erledigen. Chilton müssen Sie noch in dieser Woche schaffen, und es wäre gut, wenn Sie Rivera und Weed nicht viel später hinterherschickten. Ich bin bereit, einen höheren Preis als gewöhnlich zu zahlen. Und noch etwas: Chilton, Rivera und Weed besitzen Unterlagen, die nicht in die Hände der Polizei fallen dürfen. Ich biete zwanzigtausend Dollar als Prämie, wenn Sie mir die Unterlagen beschaffen.« Er dachte krampfhaft darüber nach, ob er Angaben über die Art der Papiere machen sollte, aber es war zu riskant, von dem Mädchenhandel zu sprechen. »Das wär’s«, schloß er hilflos und legte auf.
Brook tupfte sich den Schweiß von der Stirn. Ihm fiel seine Tochter ein. Er öffnete die Tür und suchte Constance in den angrenzenden Räumen, ohne sie zu finden. Er rief seine Privatwohnung an und fragte die Haushälterin nach Constance, aber seine Tochter war nicht zu Haus gewesen.
Er drückte den Buchstaben C in der Adressenkartei, die links neben dem Telefon lag. Obwohl er vierzig Jahre lang in einem Geschäft arbeitete, in dem schnelles Rechnen wichtig war, besaß Brook kein Zahlengedächtnis. Er behielt Telefonnummern, Daten und selbst die Zahlen auf seinen Kontenauszügen schlecht. Auch die Telefonnummer der privaten Wohnung seiner Tochter vergaß er immer wieder. Als er die Nummer in der Adressenkartei gefunden hatte, schickte er sich an, sie zu wählen. Plötzlich stutzte er. Noch einmal suchte er den Zettel hervor und verglich die Nummern. Auch Constance besaß einen Barrow-Anschluß, aber die Nummer war doch anders. Constances Telefonanschluß lautete Barrow 6-4545.
Er wählte die Nummer. Es meldete sich niemand.
***
Ich überquerte die Straße und betrat die kleine italienische Cafeteria, die dem New Yorker FBI-Distriktgebäude schräg gegenüberliegt. Mario, Besitzer, Kellner und ehemaliger Taschendieb von hohen Graden, verneigte sich hinter seiner Espresso-Maschine mit südländischer Grandezza.
Mein Freund und Kollege Phil Decker saß an dem schmalen Ecktisch vor dem Schaufenster. Vor ihm lag ein großes Papierblatt, auf dem er durch zahlreiche Striche in fünf Farben die Verästelung, Querverbindungen und Vertriebswege einer Falschmünzerbande aufgezeichnet hatte. Ohne aufzusehen, tippte er auf die Zeichnung. »Die falschen Fünfer, die in Miami aufgetaucht sind, können nicht aus der gleichen Werkstatt stammen wie die Zwanziger. Niemand aus der Zwanzig-Dollar-Fabrik unterhält Beziehungen in Richtung Florida. Wir habe es mit zwei Fälscherbanden zu tün, Jerry.«
Ich setzte mich. Mario brachte den Kaffee, den er ohne große Bestellung servierte, wenn ich die Cafeteria um diese Zeit betrat.
»Der Zucker fehlt, Mario!«
»Hat Ihr Freund, Mr. Cotton! In der linken Rocktasche.«
Phil warf ihm einen schrägen Blick zu, griff in die linke Tasche und holte drei Zuckerstücke hervor. »Geh mit deinen Späßen zur Bühne, Mario«, knurrte er.
»Es ist nicht verboten, jemandem kleine Geschenke in die Tasche zu stecken«, beteuerte Mario. »Mr. Cotton nimmt nur zwei
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