Jerry Cotton - 0575 - Die Diamanten-Killer
stiernackige Kerl fing an, im Wohnzimmer herumzugehen, als ob er etwas suchte. Elleroy folgte ihm mit seinem Blick. Und dann verschwand der junge Mann plötzlich in der Küche.
Elleroy hörte, wie die Tür zum Kühlschrank aufging. Gleich darauf vernahm er das typische Zischen einer aufgferissenen Bierdose. Danach raschelte Papier. Der Kerl tut so, als ob er hier zu Hause wäre, dachte der Prokurist, dann drehte er sich ein wenig, bis er seine Frau ansehen konnte, die neben ihm auf der Couch mehr hing als saß.
»Die Hände!«, hauchte Elleroy.
Seine Frau sah ihn verständnislos an.
»Heb die Hände hoch!«, flüsterte er fast lautlos.
Sie begriff immer noch nicht, aber sie kam seiner Aufforderung wenigstens nach. Elleroy betrachtete den Knoten in der abgeschnittenen Gardinenschnur genau, bevor er mit den Zähnen zubiss und nestelte. Es dauerte eine ganze Weile, und er lauschte zwischendurch immer wieder angestrengt auf die Geräusche in der Küche. Von dort hörte man ab und zu das Umblättern einer Seite oder das zischende Geräusch beim Öffnen einer neuen Dose Bier.
Endlich gab der nicht übermäßig sorgsam geknüpfte Knoten nach. Nun war es nicht mehr schwierig. Innerhalb weniger Sekunden hatte Elleroys Frau die Hände frei.
»Binde dir die Fußfesseln auf, sobald ich in der Küche bin«, raunte Elleroy seiner Frau ins Ohr. »Dann geh leise ins Schlafzimmer und ruf die Polizei an. Ich werde ihn unterdessen in der Küche ablenken. Hast du verstanden?«
»Aber, Ed, wenn er dich…«
»Pst! Tu, was ich dir gesagt habe! Die Polizei, hörst du?«
Seine Frau nickte ängstlich. Mühsam versuchte Elleroy sich aufzurichten. Mit den zusammengebundenen Fußgelenken war es nicht einfach, das Gleichgewicht zu bewahren. Es war noch schwieriger als Sackhüpfen, wie es Kinder gelegentlich spielen. Elleroy hatte erst zwei ungelenke Sprünge getan, als der stiernackige Kerl in der Küchentür auf tauchte.
»Eh, was soll das?«, rief er drohend.
Elleroy hüpfte weiter auf ihn zu, um die Aufmerksamkeit von seiner Frau abzulenken. Er verzog schmerzhaft sein Gesicht dabei und stöhnte: »Meine Tabletten! Bitte! Mein Herz! Ich habe… ah… einen Herzanfall…«
Nicky Lergos trat ihm unwillkürlich aus dem Weg, indem er in die Küche zurückwich, wohin ihn Elleroy hüpfend folgte. Das hätte gerade noch gefehlt, wenn dem Alten etwas Ernstliches zustieße wegen dieser verdammten Aufregung. Vor ein paar Wochen erst hatte Nicky aus den Zeitungen entnommen, dass das Schwurgericht einen ähnlichen Fall als Mord zweiten Grades betrachtet hatte. Und das war nun wirklich das allerletzte, wofür sich Nicky hätte verantworten wollen.
»Wo sind denn Ihre verdammten Tabletten?«, brummte er, widerwillig hilfsbereit.
Elleroy tat, als könne er nicht mehr weiter. Erschöpft ließ er sich auf einen Küchenstuhl plumpsen.
»Da, in dem Schrank dort. In der linken Schublade.«
Nicky zog die Schublade auf. Er sah ein paar Fächer, in denen säuberlich sortiert Besteckteile lagen. Von Tabletten war nichts zu sehen.
»Hier sind keine Pillen«, grunzte er. »Denken Sie einmal nach, Mann! Sie müssen doch wissen, wo Ihre Tabletten liegen!«
Elleroy ließ den Kopf nach vorn hängen, weil er hoffte den Eindringling umso stärker ablenken zu können, je gefährlicher er seinen Herzanfall vortäuschte. Aber ausgerechnet in diesem Augenblick hörte man klar und deutlich die vor Aufregung zu laute Stimme der Frau: »Die Polizei! Verbinden Sie mich mit der Polizei, Miss, schnell!«
Nicky riss den Kopf hoch, dann jagte er los wie ein hungriger Tiger. Mit ein paar Sätzen hatte er das Wohnzimmer durchquert und war im Schlafzimmer, wo der zweite Apparat auf dem Nachtschränkchen neben dem Bett stand. Die Frau stieß einen Schrei aus, Nicky sprang mit einem Satz über das Bett hinweg, schlug die Hand in die Anschlussschnur, wickelte sie in einer blitzschnellen Drehung einmal um das Handgelenk und riss sie mitsamt der Anschlussdose aus der Wand. Er schleuderte mit der anderen Hand den Apparat auf den Boden, lief zurück ins Wohnzimmer, riss auch dort die Anschlussdose mitsamt der Dose aus der Wand und jagte mit hochrotem Kopf zurück in die Küche.
»Du Miststück!«, krächzte er heiser vor Wut .
Elleroy wollte zurückweichen, aber mit den gefesselten Füßen ging das nicht. Der Faustschlag des aufgebrachten Gangsters traf ihn mit voller Wucht.
***
»Jetzt aber Tempo!«, zischte Ed und drückte die Tür in die Fabrikhalle auf. »Los, Cartney,
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