Jerry Cotton - 0587 - Der Club der grausamen Witwen
einem Kunden zu widersprechen, und so nickte er denn und meinte: »Ja, die alten Zeiten! Ich erinnere mich noch genau, wie Ihr Mann Lieutenant wurde! Wie lange ist das schon her?«
»Fast dreißig Jahre«, meinte Mrs. Collins. »Aber sagen Sie, Mr. McGorman, haben Sie denn nichts gehört, wer überhaupt geschossen hat heute nacht? Ich habe bestimmt eine Stunde wach gelegen deshalb.«
»Wissen Sie es denn noch nicht, Mrs. Collins? Ein Polizist ist erschossen worden! Sergeant Burns! Den müssen Sie doch kennen.«
»Burns? Oh, großer Gott! Natürlich kenne ich Burns. Lieber Himmel, das ist ja furchtbar. Mr. Burns war immer ein sehr netter Mann. Und die arme Familie. Nein, das ist wirklich ganz furchtbar! Captain Milton sollte meiner Meinung nach mehr durchgreifen, hier im Revierbereich, dann würde es so etwas gar nicht erst geben. Ein Polizist muß wie ein Mann auftreten und nicht wie eine Tante von der Fürsorge! Wie kann man es nur so weit kommen lassen, daß die eigenen Polizisten erschossen werden! Es ist skandalös! Einfach skandalös!«
Mrs. Collins tätigte ihre Einkäufe schneller als sonst, denn sie war begierig darauf, ihre Freundinnen anzurufen, Witwen wie sie, deren Leben nur noch Spannung und Abwechslung erhielten, wenn es was über die Nachbarn oder die Verwandten zu erzählen gab. Und für Mrs. Collins, deren Mann schließlich selbst lange Jahre bei der Polizei gewesen war, stellte die Ermordung eines Polizisten natürlich ein Thema dar, über das sie sich ausführlicher äußern konnte. Kaum hatte sie ihr Einfamilienhäuschen dicht am Fluß wieder betreten, da eilte sie auch schon zum Telefon und wählte eine Nummer.
»Bist du das, Victoria?« fragte sie, als eine undeutliche Stimme sich gemeldet hatte. »Hier ist Virginia. Hör einmal, kannst du nicht gleich zu mir kommen? Ich habe etwas Hochinteressantes zu berichten! Nein, ich mache nicht einmal eine Andeutung, und wenn du platzt! Komm herüber, dann können wir zusammen frühstücken. Ich bereite alles vor. Ich werde außerdem Esther und Sarah einladen, da wird es einen richtigen, gemütlichen Morgenplausch geben. Also bis gleich, ja?«
Sie wählte noch die Rufnummern von Esther Simon und Sarah Wineberg. Es waren alles alte Damen wie sie, aber wofür gab es schließlich Taxis? Mrs. Collins hantierte in ihrer großen Küche. Der Duft von starkem Kaffee zog durchs Haus.
Bald traf die erste alte Dame ein. Victoria Elisabeth Patrick war mit einem Iren verheiratet gewesen, und als Mädchen hatte sie trotz ihrer mehr französischen Vorfahren selbst nach einer Irin ausgesehen mit ihrem flammendroten Haarschopf und den grünen Augen. Aber das Haar war inzwischen längst weiß geworden wie das von Mrs. Collins. Freilich trug sie im Gegensatz zu Mrs. Collins ihr Haar noch immer lang und zu einem Knoten zusammengesteckt, während Mrs. Collins’ Frisur sich kaum von der berühmten Mähne Einsteins unterschied. Als die beiden noch in der Tür standen, traf Sarah Wineberg ein, eine robuste Person trotz ihrer achtundsechzig Jahre. Sie stiefelte auf die Haustür zu wie ein Gardesoldat. Wenige Minuten später brachte ein Taxi die etwas schwerhörige Esther Simon.
Die alten Damen brannten vor Neugierde, aber Mrs. Collins schüttelte eigenwillig den Kopf.
»Setzt euch und benehmt euch nicht wie kleine Kinder!« befahl sie. »Erst wird gefrühstückt! Dann erzähle ich auch meine Neuigkeit. Aber nur, wenn ihr meine Pfannkuchen und den Ahornsirup aufgegessen habt. Ich habe noch hundertzweiundachtzig selbst eingemachte Gläser davon im Keller stehen. Ihr braucht euch also wirklich nicht zu genieren!«
Sie lief geschäftig hin und her, um alles für das leibliche Wohl heranzuschleppen, was ein gutgeführter Haushalt anzubieten hatte. Die alten Damen ließen sich nicht lange nötigen. Für eine gute halbe Stunde klapperten die Gabeln, die Eierlöffel und die Kaffeetassen. Als sie endlich alle gesättigt waren, schenkte Mrs. Collins vier Gläser Likör ein.
»Aber das ist doch wirklich zu früh!« protestierte Sarah Wineberg, obgleich alle von ihr wußten, daß sie ohne ihre Ginflasche gar nicht leben konnte.
»Unsinn!« sagte Mrs. Collins. »Wir sind in einem Alter, wo man sich alles erlauben kann. Das ist der Vorteil. Wie bei ganz kleinen Kindern. So, und jetzt hört mir genau zu! Also, ich werde heute nacht wach, weil es ein paarmal so laut gekracht hatte. Natürlich wußte ich sofort, daß es Schüsse waren. Schließlich war mein Mann Polizist, da kennt
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