Jerry Cotton - 0589 - Ein Toter stellt die Falle
hieß Jerome York. Er war klein und fett, trug einen Achthundert-Dollar-Maßanzug, zwei Diamantringe und roch nach Rasierwasser.
Vor Helen blieb er stehen. »So allein, Miß?«
Du lausiger Affe, dachte sie; aber ihr Lächeln blieb wie festgeklebt. »Leider. Kannst du mir die Zeit verkürzen?«
»Gern.« Er strahlte. Das Fett seiner Wangen schob sich so hoch, daß die Äuglein kaum noch zu sehen waren. »Ich… äh… hab’ meinen Wagen dort. Fahren wir zu mir?«
»Wo wohnst du denn?«
»Central Park West.«
Stinkfeine Gegend, dachte Helen. Dann ging sie mit ihm zum Wagen, stieg ein und ließ sich quer durch Downtown und Midtown fahren. Der Dicke redete viel und gestikulierte beim Fahren. Er gab sich als Junggeselle aus und tätschelte Helens Knie. 750 Dollar, so klagte er, bezahle er für seine Fünfzimmerwohnung am Central Park. Aber er könne es sich leisten.
Die Gegend war erstklassig. Als Mädchen hatte Helen davon geträumt, reich zu heiraten und hier zu wohnen. Sie parkten vor einem modernen Hochhaus. In der Halle standen große Marmorkästen mit Blumen. Mit dem Lift fuhren sie in den 14. Stock. Yorks Wohnung lag nach vorn, mit Blick auf den Central Park. Als der Dicke aufschloß, griff Helen in die Handtasche. Der Mann war höflich, ließ sie vorangehen. In der Diele trat Helen zur Seite.
Die Tür fiel zu. Der Dicke schob den Schlüssel von innen ins Schloß, wobei er Helen für einen Moment noch den Rücken zuwandte. Dann wollte er sich umdrehen. Aber Helen schmetterte ihm den Hammerkopf ins Genick. Zweimal mußte sie zuschlagen. Dann rutschte Jerome York an der Tür entlang, sackte nach vorn und' blieb, auf dem Gesicht nach unten, auf dem Teppich liegen.
Helen griff nach seinem Puls. Er pochte, langsam aber gleichmäßig. Auf dem feisten Nacken bildete sich ein roter Fleck. Jetzt handelte Helen schnell. Sie zog York die Diamantringe von den Fingern, fischte das Bargeld — 200 Dollar — aus seiner Brieftasche, nahm beide Scheckhefte und studierte sie. Eins war ausgestellt worden von der Manhattan Chase Bank, das andere von der Bank of America. Beide Hefte waren noch dick. Erst wenige Blätter fehlten.
Aus jedem riß Helen die vier.letzten Scheckformulare heraus. Dann stopfte sie die Hefte in die Brieftasche zurück. Ihre Überlegung war klar: Nehme ich die Hefte mit, läßt er, sobald aufgewacht, seine Konten sperren. Daß die letzten Blätter fehlen, wird er dagegen nicht merken.
Helen verlor keine Zeit damit, in der Wohnung nach Bargeld oder Schmuck zu suchen. Der Dicke konnte jeden Moment aufwachen.
Sie hastete über den Flur und fuhr mit dem Lift nach unten. Vor dem Haus lief sie ein Stück die Avenue hinab. Außer Sichtweite des Hauses winkte sie ein Taxi heran und ließ sich durch den Central Park in die Fifth Avenue fahren.
Helen musterte die Auslagen eines Juweliers: Diamantringe, Perlenketten, klotzige Armreife aus Gold und Uhrfen in Platingehäusen. Helen betrat das Geschäft, wählte ein breites Goldarmband für 1000 Dollar, wurde von einem jungen Mann zuvorkommend bedient und schrieb, als er zur Kasse bat, einen von Jerome Yorks Schecks aus. Sie Unterzeichnete, gut leserlich, mit J. York.
Der Verkäufer, verbindlich lächelnd, erklärte: »Bitte, gedulden Sie sich einen winzigen Augenblick, Madam.«
Er verschwand im Hinterzimmer. Helen wußte, daß er jetzt die Bank of America anrief und sich erkundigte, ob der Scheck des Kontos J. York gedeckt sei.
Der Verkäufer kam zurück, immer noch lächelnd. Alles war in Ordnung. Helen sah zu, als er das Armband in ein Etui legte und es verpackte. Dann verließ sie das Geschäft. Der nächste Weg führte sie in ein Pfandhaus, in dem sie das Armband versetzte. Anschließend kaufte sie bei zwei anderen Juwelieren Schmuckstücke, die sie ebenfalls ins Pfandhaus trug. Ebenso verfuhr sie mit zwei Kofferradios, einem tragbaren Fernsehgerät, zwei Schmalfilmkameras, einer Nerzjacke und einer wertvollen antiken Vase. Alles wurde mit Jerome Yorks Schecks bezahlt.
Bis zum späten Nachmittag ergaunerte sich Helen 4600 Dollar. Die Beute und Yorks Diamantringe in der Handtasche, fuhr sie zur Houston Street zurück. Nahe bei »Jimmy’s« warf sie den Hammerkopf in einen Papierkorb.
Zweiter Tag in Freiheit, dachte sie, und schon wieder gut bei Kasse. Man muß den Dreh eben kennen…
Sie setzte sich in ein Café, bestellte Hawaiisalat, Toast und eine halbe Flasche Sekt. Während des Essens dachte sie über ihr Schicksal nach.
Am 4. Januar 1962 hatte
Weitere Kostenlose Bücher