Jerry Cotton - 0592 - Ein Bettler macht kein Testament
durch die Luft, verschwanden jaulend hinter uns in der Dunkelheit oder rissen Splitter und Späne aus dem Holz der Deckaufbauten.
Phil wies auf Garrick, der immer noch bewußtlos neben dem Ruder lag. »Sie müssen glauben, wir hätten ihn umgebracht. Deshalb schießen sie ohne Rücksicht auf Verluste, und wenn sie das ganze Boot zusammenknallen.«
Zwischen die kurzen, trockenen Pistolenschüsse mischte sich jetzt das hämmernde Stakkato einer Maschinenpistole. Eine Salve traf die Schiffsglocke, die wie verrückt zu läuten begann. Es verlieh der Situation etwas Groteskes.
»Phil«, schrie ich durch den Lärm. »Wir müssen versuchen, an Garrick ranzukommen! Er hat seine Pistole noch in der Halfter.«
Das war natürlich leicht gesagt. Aber wie sollten wir es schaffen, solange wir nicht die Nasenspitze um die Kajütenwand stecken konnten, ohne zu riskieren, daß sie weggeschossen wurde? Die Gangster hatten uns mit regelrechtem Sperrfeuer belegt, das jede Aktion unsererseits verhinderte.
Schließlich waren sie es leid. Zuerst verstummte die Maschinenpistole, und nach und nach stellten auch die übrigen Schützen das Feuer ein. Und dann war wieder tiefe Dunkelheit.
Im nächsten Augenblick war ich bei Garrick. Er seufzte, als ich ihn herumdrehte und ihm seine Waffe abnahm. Dann huschte ich wieder hinter die Kajüte.
Keinen Moment zu früh! Der Scheinwerfer flammte wieder auf und tauchte unser Boot in gleißendes Licht. Sie hatten die Dunkelheit benutzt, um ihren Standort zu wechseln. Das gegnerische Schiff befand sich jetzt backbord schräg vor unserem Heck. Hätten wir nicht sofort reagiert und uns noch weiter hinter die Kajüte zurückgezogen, wären wir auf der Stelle durchlöchert worden.
Aber statt Phil und mich erwischte es einen anderen. Slim! Er kam gerade in dem Augenblick aus der Kajütentür, als sie das Feuer wieder eröffneten. Schwankend stand der Gangster auf den unteren Stufen, den Mund in grenzenlosem Erstaunen weit aufgerissen. Die Garbe aus der MPi hatte ihn voll getroffen. Quer über seine breite Brust war der schmutziggraue Pullover von Einschüssen zerfetzt. Es gab einen Höllenlärm, als Slims riesiger Körper durch die Tür wieder zurück in die Kajüte geworfen wurde.
Ein wütender Aufschrei ertönte von drüben: »Bist du wahnsinnig! Das war Slim, du Idiot!«
Ich schickte eine Kugel in die Richtung, aus der die Stimme kam. Unverzüglich bellte die Maschinenpistole auf. Vereinzelte Revolverschüsse folgten. Dann war es wieder ruhig.
Plötzlich kam mir ein Gedanke. Ich gab Phil die Pistole von Garrick und legte die Hände trichterförmig an den Mund. »Aufgepaßt, ihr da drüben! Ihr habt gemerkt, daß wir bewaffnet sind. Wenn ihr nicht sofort das Schießen einstellt und abdreht, verpassen wir Garrick eine Kugel. Er ist nämlich nicht tot, wie ihr glaubt.«
Stille folgte meinen Worten. Dann ertönte wieder die gleiche Stimme wie vorhin: »Ihr blufft! Ritchie ist erledigt. Wir haben es gesehen.«
»Und was war mit Slim?« brüllte ich zurück. »Er war erst tot, nachdem ihr dafür gesorgt habt.«
Erregtes Stimmengewirr klang herüber. Offenbar stritten sie sich. Schließlich gewann die Stimme des Wortführers wieder die Oberhand.
»Wir glauben euch nicht. Ihr habt keine Chance. Kommt mit erhobenen Händen aus eurem Versteck hervor, oder wir versenken euch!«
Diese Drohung hatte ich schon lange befürchtet. Aber ich war nicht bereit, mich freiwillig in die Gewalt dieser Piraten zu begeben. Ehe ich überlegen konnte, was zu tun sei, veränderte ein Stöhnen auf dem Achterdeck die Situation. Garrick erwachte aus seiner Ohnmacht!
Gebannt starrten wir zu ihm hinüber.
Er richtete sich halb auf, hielt sich mit der einen Hand den Schädel und schloß geblendet die Augen, als er in den Scheinwerfer blickte.
»Garrick!« Phils Stimme klang wie ein Peitschenknall. »Bleib, wo du bist, oder du bist ein toter Mann! Deine eigene Pistole ist auf dich gerichtet.«
Rosebuds Gefolgsmann hielt in seiner Bewegung inne. Er blinzelte zur Kajüte hinüber und sah den Lauf der Pistole um die Ecke ragen.
Phil fuhr fort: »Deine Freunde da drüben wollten nicht glauben, daß du nur bewußtlos bist. Sag ihnen, was passiert, wenn sie weiter auf uns schießen! Sie haben nämlich angedroht, unser Boot zu versenken.«
Garricks Gesicht wurde aschgrau. »Macht keinen Quatsch, Pete!« keuchte er. »Die G-men machen ernst, sage ich euch!«
»Moment mal, Ritchie«, tönte es zurück, »hast du soeben G-men
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