Jerry Cotton - 0595 - Ich gegen John den Irren
hielt eine Hand erhoben.
Der Fahrer dachte nicht daran, nachts einen Unbekannten mitzunehmen. Er legte die Hand auf den Hupenring. Der andere rührte sich nicht. Der Fahrer tippte auf die Bremse.
Der Fahrer riß das Steuer herum. Der Lastwagen wechselte auf die linke Fahrbahnseite hinüber.
»Idiot!« brüllte der Fahrer nach rechts, als der rechte Kotflügel nur eine Armlänge an dem Mann vorbeischnitt.
John Winslow sprang auf. Seine linke Hand umklammerte die Türklinke. In der rechten Faust schwang er das Beil. Krachend zersplitterte die Türscheibe.
Der Fahrer schrie auf. Winslows Füße fanden Halt auf dem schmalen Trittbrett. Kopf, Oberkörper und den rechten Arm mit dem Handbeil schnellte er durch die Fensteröffnung, und es kümmerte ihn nicht, daß Glassplitter tief in sein Fleisch schnitten. Er schleuderte das Beil, das wuchtig den Kopf des Fahrers traf. Der Mann bäumte sich auf. Seine Hände glitten vom Steuerrad ab. Sein Fuß rutschte vom Gashebel. Dann fiel sein Körper nach vorn. Der Kopf traf den Hupenring.
Mit brüllender Hupe drohte der Laster in den Straßengraben zu rollen.
Winslow schob seinen Körper noch weiter in die Fahrerkabine hinein. Mit beiden Händen packte er das Steuerrad, riß es unter der Last des Fahrers herum und hielt den Wagen auf der Straße. Innerhalb von Sekunden verlor der Laster die Geschwindigkeit, bockte ein paarmal und kam mit abgewürgtem Motor zum Stehen.
John Winslow zog die Beine an, richtete sich auf und griff mit einer Hand in die Haare des Fahrers. Er zog den Kopf des Mannes in den Nacken und blickte ihm ins Gesicht. Er beugte sich dicht über ihn und erkannte, daß der andere nur bewußtlos war.
Eine Viertelstunde später startete Winslow den Motor. Auf dem Sitz neben ihm lagen die Kleider des Fahrers.
Er fuhr nach Süden, bog aber an der nächsten Kreuzung auf einen Seitenweg ab. Er stoppte in einer Waldschneise, wechselte seine Kleider gegen die des Fahrers und fuhr weiter. Eine halbe Stunde später erreichte er die Highway-Auffahrt.
Kurz vor der Stadtgrenze überquerte John Winslow auf einer achtspurigen Brücke den Hudson. Er hatte New York erreicht. Die Bestie war in den heimatlichen Dschungel zurückgekehrt.
***
An alle Polizeidirektionen, Hafen- und Zollbehörden mit der Bitte um Informierung aller Dienststellen. An FBI zur Information und mit der Bitte um Unterstützung. Der Sheriff von White Plains, N. Y. meldet:
In der vergangenen Nacht gegen elf Uhr entsprang aus der Irrenanstalt Peekshill House John Harvey Winslow, 34 Jahre alt, nach Ermordung des Wärters Alfred Drewman. Winslow, dem versehentlich eine harmlose Kochsalzlösung statt eines schweren Betäubungsmittels injiziert worden war, gelang es, seine Fesselung zu sprengen, den Wärter zu überrumpeln und zu töten. Er flüchtete in die ausgedehnten Wälder der Umgebung. Eine sofort eingeleitete Suche blieb erfolglos. Es muß befürchtet werden, daß Winslow sich Lebensmittel zu verschaffen versucht. Er schreckt vor keiner Gewaltanwendung zurück. Seine geistige Erkrankung hat alle moralischen Bindungen zerstört. Bei einer Begegnung mit ihm ist die größte Vorsicht geboten.
Personenbeschreibung: 1,95 Meter. Blondes, sehr dichtes Haar. Blaue Augen, gerade Nase und starkes Kinn. Vollständige, kräftige Zähne. Bleiche Hautfarbe. Muskulöse Gestalt. Winslow hat bei seiner Flucht leichte Verletzungen davongetragen: eventuell Schrammen im Gesicht oder an den Händen. Bekleidet ist er mit einer blauen Hose, einem weißen Hemd und leichten braunen Schuhen.
Alle Meldungen erbittet das Büro des Sheriffs in White Plains über Police-Fernschreibsystem W-H-E-S-67802.
Phil blickte mir über die Schulter und las mit, als ich dieses Rundtelegramm am Montagmorgen studierte. »Ob sich John Winslow noch daran erinnert, wer ihn vor fünf Jahren jagte und schließlich einfing?« fragte er.
»John Winslow«, wiederholte ich. »Vier Morde, gräßliche, bestialisch ausgeführte Morde, aber nicht verantwortlich im Sinne des Gesetzes. Wie nannten die Psychiater seine Erkrankung?«
»Pathologische Veränderung der Gehirnsubstanz. Er besitzt keine Einsicht für Gut und Böse. Sein Aggressionstrieb ist ungehemmt und tobt sich in wahnwitziger Zerstörungswut aus. Auf der anderen Seite quälen ihn entsetzliche Anfälle von Verfolgungswahn. Das alles aber hat nichts mit seiner Intelligenz zu tun, die überdurchschnittlich ist. Er kann logisch, schlau und sogar raffiniert handeln.«
»Eine gefährliche
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