Jerry Cotton - 2900 - Der Master-Code (1 of 2)
lehnte sie an der Seitenwand und suchte im Dämmerlicht nach einem Gegenstand, mit dem sie die Plastikfesseln durchschneiden könnte.
»Besser als gar nichts«, sagte sie.
Es gab auf der gegenüberliegenden Wagenseite ein an der Seitenwand montiertes Regal, dessen senkrechte Verstrebungen möglicherweise als Werkzeug dienen konnten. Mit ein wenig Glück ließen sich die Fesseln an dessen Kanten durchscheuern.
»Wer nicht wagt, kann nicht gewinnen«, murmelte June.
Sie stieß sich ab, und wenn der Lieferwagen nicht im nächsten Augenblick scharf abgebogen wäre, hätte ihr Vorhaben klappen können. So wurde June heftiger als geplant gegen das Regal geschleudert und stieß mit dem Kopf gegen eine der Kanten. Obwohl sie sich verzweifelt gegen den Sturz in die Dunkelheit wehrte, verlor June das Bewusstsein. Während Steenburg den Wagen weiter zügig über die Straßen New Yorks lenkte, rollte Junes bewusstloser Körper haltlos auf der Ladefläche hin und her.
***
Blair hatte sich jeden Officer vorgenommen, der bei dem Einsatz an der Werkstatt dabei gewesen war. Er stellte immer die gleichen Fragen.
»Wann haben Sie meine Kollegin zuletzt gesehen? Wo war sie zu dem Zeitpunkt?«
Nach und nach konnte er sich einen Reim auf die Abläufe machen, besonders nachdem der Kellergang entdeckt worden war. Zu seinem Fleiß kam dann auch noch Glück, denn es gab eine Überwachungskamera an der Kreuzung, über die wahrscheinlich der Entführer mit June gefahren war.
»Ich brauche die Aufnahmen sofort, Lieutenant. Meine Partnerin schwebt vermutlich in Lebensgefahr, und jede Sekunde zählt«, drängte Blair. Seit Junes Verschwinden war bereits eine Stunde verstrichen und Blair spürte eine wachsende Sorge um sie. Endlich erreichte ihn der erlösende Anruf aus der Verkehrsüberwachung.
»Sie haben einen früheren Kumpel von Gould auf einer der Überwachungsaufnahmen? Schicken Sie sie mir. Ich möchte außerdem, dass Sie den weiteren Weg des Transporters nachvollziehen«, ordnete er an.
Blair saß in seinem Dodge und starrte auf den Monitor in der Mittelkonsole. Während er auf den Eingang der Bilder der Überwachungskamera wartete, trommelten seine Finger nervös auf der Armlehne. Dann trafen sie endlich ein, und schon nach wenigen Augenblicken hatte Blair seine Entscheidung gefällt.
»Mister High? Ich habe Rick Steenburg auf einem Überwachungsbild, wie er ganz in der Nähe der Werkstatt einen Kleintransporter lenkt. Angesichts der gemeinsamen Vorgeschichte mit Gould halte ich Steenburg für den Entführer von June«, sagte er.
Der Chef hatte ausdrücklich darauf bestanden, dass er über jeden Schritt von Blair umgehend informiert werden wollte. Er kannte das Temperament seines Agents nur zu gut und wollte auf diese Weise überhastete Aktionen unterbinden können.
»Einverstanden. Bleiben Sie an Steenburg dran«, stimmte Mr High zu.
Blair ließ sich die weiteren Stationen des Kleintransporters aus der Zentrale der Verkehrsüberwachung mitteilen und folgte dieser Spur. Nach dreißig Minuten stand er mit dem roten Dodge Nitro in einer Straße und starrte auf einen geschlossenen Diner. Anhand der teilweise mit Brettern zugenagelten Scheiben sowie den Graffitisprüchen an den Wänden ließ sich unschwer erkennen, dass der Diner schon längere Zeit geschlossen sein musste. Blair musterte die Häuser in der Straße und kam zu der Überzeugung, dass es eine der schlechteren Wohngegenden des nördlichsten Stadtbezirks war.
»Special Agent Blair Duvall. Ich benötige dringend Unterstützung«, gab er über Funk durch.
Wenn es sich bei Junes Entführer tatsächlich um Rick Steenburg handelte, woran Blair keine Zweifel mehr hatte, dann war er ein gefährlicher Gegner. Aus den Angaben im System wusste er, dass Steenburg seit vielen Jahren als Söldner in diversen Ländern aktiv gewesen war. Möglicherweise traf sich der Südafrikaner in diesem aufgegebenen Diner mit weiteren Söldnern, was einen Alleingang von vornherein ausschloss.
Kurze Zeit später traf das SWAT-Team ein, mit dessen Leiter Blair den Zugriff besprach. Dann konnte es endlich losgehen.
»Wir sind gleich bei dir, June. Halte durch«, murmelte Blair.
Wie richtig Blairs Entscheidung mit der Anforderung des SWAT-Teams gewesen war, bewies sich bereits nach wenigen Sekunden. Einer der Spezialisten sprengte die Seitentür auf und dann warfen seine Kollegen Blend- und Schallgranaten in den Raum.
»Granate!«
Einer der Officer bemerkte die Granaten, die aus dem Raum zu
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