Jerry Cotton - 2911 - Jung schoen und toedlich
gewesen. Der Abbott-Mob hatte praktisch das gesamte Viertel kontrolliert. Aber dann war eine Konkurrenzsituation entstanden. Edmundo Rojas, ein Kubaner, trotz seines altmodischen Vornamens gerade mal 23 Jahre alt, war dem alteingesessenen Jamaikaner Abbott zu schlau geworden.
Rojas hatte sich in East Harlem breitgemacht, war in den Drogenhandel eingestiegen und hatte Abbott einen Straßenzug nach dem anderen abgenommen. Brutale Gewalt war an der Tagesordnung gewesen. Bevor der Machtkampf zu einem Bandenkrieg ausufern konnte, hatten FBI und NYPD eine Sonderkommission gebildet, der auch Phil und ich angehörten.
Abbott hatte uns über V-Leute die besseren Hinweise zugespielt. Dadurch war es uns gelungen, Rojas und seinen kompletten Verein aus dem Verkehr zu ziehen. Der Kopf der Bande und seine Komplizen waren allesamt zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt worden.
»Edmundo Rojas müsste noch auf Rikers Island sitzen«, sagte ich nach einem ausgiebigen Schluck Kaffee.
»Es sei denn«, ergänzte Phil, »ein freundlicher Bewährungsausschuss hat ihm die Staatspension auf der Gefängnisinsel gestrichen.«
Mr High schüttelte den Kopf. »Nein, das ist nicht geschehen. Rojas und seine Gang müssen ihre Strafen komplett verbüßen. Das habe ich gerade von Bill Parsons erfahren. Allerdings gibt es keine Erkenntnisse über Verbindungsleute, die außerhalb des Gefängnisses für Rojas arbeiten.«
»Das ist ungewöhnlich«, sagte ich. »Könnte da ein unbeschriebenes Blatt Rojas’ Platz einnehmen wollen? Und damit Abbott gar nicht erst versucht, sein verlorenes Terrain zurückzuerobern, setzt der Unbekannte ihm einen Warnschuss vor den Bug.«
»Indem er Shames ermorden lässt?« Der Chef hob die Schultern. »Auszuschließen ist es nicht – nach dem wenigen, was wir bisher wissen.«
Phil meldete sich zu Wort. »Sie sprachen von Ungereimtheiten, Sir.«
»Zwei Punkte«, bestätigte Mr High und nickte. »Es wurden sehr viele Patronenhülsen am Tatort gefunden. Die genaue Zahl stand bis eben noch nicht einmal fest. Auf jeden Fall hat der Täter unprofessionell gehandelt, was wiederum gegen eine Gangland-Hinrichtung spräche. Punkt zwei ist die Frage, warum Shames auf einer Verkehrsinsel erschossen wurde.«
***
Wir trugen unsere zweckmäßigen Außendienstjacken – orangefarben, gefüttert, winddicht, wasserfest und mit dem FBI-Logo in großen schwarzen Buchstaben auf dem Rücken. Vorn prangte das Drei-Buchstaben-Quadrat noch einmal in kleinerer Version auf der Klappe der äußeren Brusttasche. Wir waren also gut genug gekennzeichnet für den Fall, dass ein orientierungsloser Autofahrer uns auf die Hörner zu nehmen drohte. Bei dem Tatort, mit dem wir es zu tun hatten, war eine solche Gefahr nicht ganz auszuschließen.
Auf der Fahrt nach Uptown Manhattan holte Phil schon mal ein paar Bilder von der Gegend auf den Monitor. Unser Computerterminal in der Mittelkonsole meines roten Renners war mit allen Informationsdiensten verbunden – sowohl im Netz des FBI als auch im entsprechenden System des NYPD und im öffentlichen Internet.
Bei unserem Ziel handelte es sich nicht mal um eine normale Verkehrsinsel in der Mitte zwischen den Fahrspuren einer Straße. Nein, der Mörder des Underbosses Goran Shames hatte sich so ziemlich den absurdesten Platz ausgesucht, den man sich vorstellen konnte. Ein verdammt unwirtlicher Ort war es, im Dreieck von Paladino Avenue und Harlem River Drive gelegen, inmitten der sich schlängelnden und windenden Auffahrtsrampen zur Robert F. Kennedy Bridge.
Wir sahen das komplette Betonpistengewirr in natura vor uns, als ich von der Third Avenue nach rechts in die East 125th Street abbog. Einen Block weiter schwenkten wir noch einmal nach rechts, in die Second Avenue, und gleich darauf nach links in die 124th und deren gekrümmten Wurmfortsatz, die Paladino.
Dort parkte ich den Jaguar am Ende einer Kette von Polizeifahrzeugen, die den Fahrbahnrand säumten und von zwei uniformierten Cops bewacht wurden. Phil klappte die Sonnenblende mit dem FBI-Schild herunter, meldete der Funkzentrale unseren Standort und fügte hinzu, dass wir das Fahrzeug verließen. Nachdem wir ausgestiegen waren, steckten wir unsere Dienstabzeichen außen ans Jackett. Die Cops winkten ab, als wir unsere ID-Cards zücken wollten.
Ein scharfer, nasskalter Wind wehte uns entgegen. Ich zog den Reißverschluss meiner Jacke zu und schlug den Kragen hoch. Phil folgte meinem Beispiel. Obwohl der Ort des Geschehens
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