Jerry Cotton - 2912 - Blutschwur
Julie nicht diesen Schwerverbrecher mitgebracht, durch den sie in schlechte Gesellschaft geraten ist. Aber diese Tattoos und Piercings sind doch einfach abstoßend!«
Bruce Lonnegan griff in die Innentasche seines Jacketts und überreichte mir ein Foto. Ich kannte natürlich inzwischen Julie Lonnegans Gesicht, weil uns ein Porträtfoto ausgehändigt worden war. Doch auf diesem Bild war sie in einem kurzen Tanktop und Hotpants zu sehen. Die Gang-Tattoos bedeckten beide Arme, sie hatte außerdem Piercings im Bauchnabel und in der Nase. Ihr Bruder schaute mich so anklagend an, als ob ich sie zum Tätowierer geschleppt hätte.
»Können wir dieses Foto einstweilen behalten, Mister Lonnegan? Tattoos und Piercings sind für uns sehr wichtige Spuren.«
»Meinetwegen, Agent Cotton. – Aber warum ist das FBI eigentlich so unfähig? Es ist doch klar, dass diese Rockerbande Julie verschleppt hat. Wahrscheinlich ist sie längst tot, weil Sie die Täter nicht finden können!«
»Unsere Ermittlungen deuten momentan nicht auf die Bandits als Kidnapper, Mister Lonnegan. Wir gehen davon aus, dass andere Personen hinter der Entführung Ihrer Schwester stecken.«
Diese Neuigkeit schien Julies Bruder völlig zu verwirren. Für einen Moment zeigte sein Gesichtsausdruck nichts anderes als völliges Unverständnis. Ich hakte nach.
»Haben Sie einen anderen Verdacht, Mister Lonnegan? Kommt vielleicht ein Ex-Freund oder ein aufdringlicher Verehrer aus Julies Vergangenheit in Frage?«
Sofort verschanzte sich der Bruder der Entführten wieder hinter seiner Gereiztheit.
»Julies Vergangenheit? Das klingt ja so, als ob Julie ein Flittchen wäre! Ihre Unverschämtheiten können Sie sich sparen, Agent Cotton. Meine Schwester war immer brav, sie brachte als Studentin gute Leistungen, wollte Anwältin werden. Aber dann verguckte sie sich in diesen Rockerboss, und das Unglück nahm seinen Lauf. Und nun ist sie wahrscheinlich schon tot, während Sie mir meine Zeit stehlen.«
Ich fand diesen Mann in der Rolle des besorgten Blutsverwandten nicht besonders überzeugend. Aber das sagte ich ihm natürlich nicht.
»Wir sind auf Informationen der Angehörigen angewiesen«, warf Phil ein. Bruce Lonnegan verschränkte trotzig die Arme vor der Brust.
»Ich habe Ihnen nichts weiter zu sagen, Agents. Und nun muss ich zurück zu meinem Job.«
Julies Bruder eilte an seinen Schreibtisch und widmete sich wieder den Zahlenkolonnen auf dem Monitor. Vielleicht war das ja seine Art, mit Trauer umzugehen. Aber für mich stand noch keineswegs fest, dass seine Schwester schon tot war.
»Lonnegan verschweigt uns etwas«, meinte Phil, als wir wieder im Jaguar saßen. Starker Regen klatschte gegen die Fensterscheiben, ein Herbststurm brauste über New York City hinweg.
»Ich bin ganz deiner Meinung, Phil. Aber Bruce Lonnegan blockt völlig ab. Vielleicht ist er selbst in die Entführung verwickelt. Jedenfalls ist dieser Bursche nicht ganz astrein, das sagt mir meine Erfahrung.«
Aber das Spekulieren nützte nichts. Wir beschlossen, Mr High um eine Observierung von Julies Bruder zu bitten. Der Chef stimmte zu und schickte uns June Clark und Blair Duvall.
Wenig später trafen die blonde FBI-Agentin und ihr farbiger Partner in ihrem Dodge Nitro ein.
Wir zeigten unseren Kollegen ein Foto von Lonnegan, nachdem wir zu ihnen in den geparkten Dodge Nitro gestiegen waren.
»So sehen also die Leute aus, denen wir unsere Dollars anvertrauen sollen«, meinte Blair mit einem Grinsen.
»Als ob du Ersparnisse hättest«, bemerkte June Clark trocken. Ich berichtete von unserem vagen Verdacht gegen Bruce Lonnegan.
»Wir werden den Knaben im Auge behalten«, versicherte June. »Ihr bekommt von uns Bescheid, sobald wir etwas Auffälliges bemerken.«
***
Während June Clark und Blair Duvall vor der Bank ihren Beobachtungsposten bezogen, fuhren Phil und ich in meinem roten Boliden weiter nach Staten Island. Dort residierten die Eltern des Entführungsopfers in einer Villa, die an die Häuser von Plantagenbesitzern früherer Jahrhunderte in den Südstaaten erinnerte.
Ob der Reichtum von Julies Eltern der wahre Grund für das Kidnapping war? Auch diese Möglichkeit mussten wir bedenken. Nachdem Phil den bronzenen Türklopfer betätigt hatte, öffnete uns eine junge Schwarze in Dienstmädchenuniform. Wir zeigten unsere FBI-Ausweise.
»Ich bin Special Agent Jerry Cotton vom FBI New York. Das ist Special Agent Phil Decker. Wir möchten mit Mister und Mistress Lonnegan
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