Jerry Cotton - 2912 - Blutschwur
Fuß zu dem Wettbüro. Es war ja nur einen Steinwurf weit von der tristen Mietskaserne entfernt.
Phil und ich hatten bereits die FBI-Dienstmarken an unseren Revers befestigt, als wir das Wettbüro betraten. Schlagartig verstummten die Gespräche. Nur der auf einen Sportkanal eingestellte Fernsehapparat gab weiterhin Geräusche von sich. In dem Raum hockten ungefähr zehn oder elf wenig vertrauenerweckend aussehende Gestalten.
»Was habt ihr Feds hier verloren?«, knurrte ein Mann hinter dem Wettschalter. Er war offensichtlich der Inhaber oder ein Angestellter. Jedenfalls trug er im Gegensatz zu den anderen Anwesenden eine Krawatte und Ärmelschoner.
»Wir wollen keinen Ärger«, beschwichtigte ich. »Wir brauchen nur eine Auskunft zu einem gewissen Arturo …«
Kaum hatte ich den Namen ausgesprochen, als ein junger Latino aufsprang. Der junge Bursche stürzte Richtung Hinterausgang davon.
»Bleiben Sie stehen, wir wollen nur reden!«
Aber meine Worte verhallten wirkungslos. Natürlich liefen Phil und ich hinter dem Flüchtenden her. Das heißt, wir versuchten es. Die übrigen Anwesenden stellten sich uns nämlich in den Weg. Auf der Lower East Side halten gewisse Leute immer zusammen, wenn es gegen Cops geht. Wahrscheinlich hatte jeder von ihnen schon mal Ärger mit dem Gesetz gehabt.
Doch Phil und ich ließen uns nicht aufhalten. Ich wich einem Fausthieb aus, der auf meinen Kopf gezielt war. Mit zwei kräftigen Ellenbogenstößen verschaffte ich mir Platz. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass einer der Kerle Phil ein Bein stellte. Doch mein Freund sprang über das Hindernis hinweg und schickte einen anderen Gegner mit einem Kopfstoß in die Magengegend auf die Bretter.
***
Die fluchenden und pöbelnden Wett-Fans hatten uns nur wenige Augenblicke lang aufhalten können. Ich stieß die Hintertür auf und sah, wie Arturo über die Hofmauer kletterte. Ich zog mich an der Mauerkrone hoch und setzte ihm nach. Phil war dicht hinter mir.
Arturo rannte in Richtung Grand Street davon. Dort herrschte um diese Tageszeit dichter Straßenverkehr, zahlreiche Trucks kamen über den Franklin D. Roosevelt Drive und bogen auf die Grand Street Richtung Lower Manhattan ein. Die schweren Sattelschlepper fuhren beinahe Stoßstange an Stoßstange. Die Trucks ragten wie eine bewegliche Mauer vor Arturo auf.
Der junge Latino versuchte trotzdem, die Straße zu überqueren. Er riskierte sein Leben. Ich legte an Tempo zu, um ihn von seinem Wahnsinnsvorhaben abzuhalten. Aber es war zu spät.
Arturo sprang auf die Fahrbahn. Ein Truck ragte wie ein Berg vor ihm auf. Der Driver hupte empört und stieg in die Eisen. Der Flüchtende warf den Kopf auf die Seite, blieb abrupt stehen und starrte den auf ihn zukommenden Sattelschlepper an. Offenbar merkte der Latino erst jetzt, dass er sein Leben riskierte. Trotzdem verfiel er in eine akute Schockstarre.
Im nächsten Moment hatte ich ihn gepackt und auf den Gehsteig zurückgerissen. Der Truck rauschte an uns vorbei. Arturo war bleich wie der Tod. Aus weit aufgerissenen Augen glotzte er mich an, als ob er einen Geist sehen würde. Nun hatte auch Phil uns erreicht.
Obwohl Arturo wie gelähmt wirkte, mussten wir auf unsere Eigensicherung achten. Bei einer schnellen Leibesvisitation stellten wir ein Klappmesser und für den Straßenverkauf abgepacktes Crack sicher.
Durch den Drogenbesitz hatte sich Arturo eine Gefängnisstrafe eingehandelt, aber wir waren nicht auf der Jagd nach Dealern. Ich hielt ihm eine Tüte Crack unter die Nase.
»Dafür fahren Sie in Rikers ein, Arturo. Aber wenn Sie kooperieren und uns helfen, dann werden mein Dienstpartner und ich vor Gericht ein gutes Wort für Sie einlegen. Mehr kann ich Ihnen nicht versprechen.«
»Ich sage aber nicht, woher das Crack stammt. Sonst bin ich ein toter Mann.«
Arturos Stimme zitterte vor Angst. Er schaute sich nervös um, als ob seine Lieferanten direkt hinter ihm stehen würden.
»Mit dem Crack soll sich die Drogenfahndung befassen. Deswegen wollten wir gar nicht mit Ihnen sprechen. Uns geht es um Jim McCay.«
»Was wollen Sie denn von dem?«
»Das würden wir ihn gerne selbst fragen. Also, wo steckt McCay?«
Arturo nagte an seiner Unterlippe. Einen Moment lang dachte ich, dass der Kleindealer stumm bleiben würde. Aber dann öffnete er doch den Mund.
»McCay? Den können Sie ruhig einbuchten, Agent. Ich dachte, er wäre mein Freund. Aber plötzlich wurde er zum Angeber und faselte ständig vom großen Geld. Er gibt sich nicht
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