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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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waren im Anmarsch. Es galt, keine Zeit zu verlieren.
    Eine göttliche Botschaft rettete die Lage. Am 6. Juli verkündete ein visionärer Priester, ihm sei (nicht zum ersten Mal) Adhemar von Le Puy erschienen, ein verehrter Bischof, der in Antiochia gestorben war, dessen Geist aber nun die Franken drängte, in einer Prozession um die Stadtmauern zu ziehen, wie Josua es in Jericho gemacht hatte. Die Armee fastete drei Tage lang und marschierte am 8. Juli, angeführt von Priestern, die heilige Reliquien trugen, mit Trompeten, Bannern und Waffen um die Stadtmauern Jerusalems, verhöhnt von den Jerusalemern, die von den Zinnen die Kruzifixe schmähten. Nach dieser Josua-Runde versammelten sie sich auf dem Ölberg, um ihre Geistlichen predigen zu hören und Zeugen der Versöhnung ihrer Heerführer zu werden. Leitern, Belagerungsgerät, Katapulte wie die Mangonel, Wurfgeschosse, Pfeile, Faschinen – alles das musste vorbereitet sein, und so arbeiteten sie mit vereinten Kräften Tag und Nacht. Frauen und alte Männer beteiligten sich, indem sie Tierhäute für die Belagerungsmaschinen zusammennähten. Es gab nur eine Alternative: auf den Wällen der Heiligen Stadt zu sterben oder zu siegen.
    Tankred: Blutbad auf dem Tempelberg
    Am Abend des 13. Juli waren die Kreuzfahrer fertig. Ihre Priester predigten sie in eine heilig-wilde Entschlossenheit. Ihre Mangoneln katapultierten Kanonenkugeln und Geschosse gegen die Mauern, an denen die Verteidiger so viele Säcke mit Heu aufgehängt hatten, um die Einschläge zu dämpfen, dass die Zinnen wie riesige Wäscheleinen wirkten. Die Muslime schossen ebenfalls mit Mangoneln. Als die Christen einen Spion in ihrer Mitte entdeckten, katapultierten sie ihn lebendig über die Mauern.
    Die ganze Nacht arbeiteten die Kreuzfahrer, um die Gräben mit Faschinen zu füllen. Drei Belagerungsmaschinen brachten sie in Einzelteilen nach vorn und montierten sie wie riesige Bausätze, eine für Raimund auf dem Berg Zion, die anderen beiden im Norden. Raimund brachte sein Belagerungsgerät als Erster an der Mauer in Stellung, aber der ägyptische Statthalter, der den Südsektor befehligte, leistete erbitterten Widerstand. Nahezu im letzten Augenblick erkannte Gottfried von Bouillon die Schwachstelle in der Verteidigung (östlich vom heutigen Herodestor, gegenüber vom Rockefeller Museum). Unverzüglich zogen der Herzog der Normandie, der Graf von Flandern und Tankred ihre Truppen an der Nordostecke zusammen. Gottfried stieg persönlich auf den Belagerungsturm, der an die ideale Stelle geschoben wurde: Als er oben ankam, schwenkte er seinen Bogen, während die Truppen Pfeilsalven abschossen und die Mangoneln die Mauern mit einem Geschosshagel eindeckten.
    Als die Sonne aufging, koordinierten die Heerführer ihr Vorgehen mit Hilfe von Spiegelzeichen vom Ölberg. Gleichzeitig griffen Raimund von Süden und die Normannen von Norden an. Am Freitag, dem 15. Juli 1099, bei Morgengrauen verstärkten sie ihren Ansturm. Gottfried stand auf dem schwankenden Belagerungsturm und schoss über die Mauern, während die Verteidiger ihr griechisches Feuer einsetzten – aber es reichte nicht, um die Franken aufzuhalten.
    Gegen Mittag erreichte Gottfrieds Belagerungsmaschine schließlich die Mauer. Die Franken warfen Planken hinüber, zwei Brüder kletterten in die Stadt, und Gottfried folgte ihnen. Sie behaupteten, sie hätten den verstorbenen Bischof Adhemar in ihrer Mitte kämpfen sehen: »Viele bezeugten, dass er als Erster die Mauer überwand!« Der tote Bischof befahl ihnen, das Säulentor (Damaskustor) zu öffnen. Tankred und seine Normannen stürmten die engen Gassen. Im Süden am Berg Zion hörte der Graf von Toulouse die Jubelrufe. »Warum trödelt ihr!«, trieb Raimund seine Männer an. »Los, die Franken sind schon in der Stadt!« Raimunds Männer stürmten Jerusalem und verfolgten den Statthalter und seine Garnison bis auf die Zitadelle. Der Statthalter erklärte sich zur Kapitulation bereit, wenn Raimund ihm zusagte, das Leben der Garnisonssoldaten zu verschonen. Einwohner und Soldaten flüchteten sich auf den Tempelberg, verfolgt von Tankred und seinen Leuten. Im Kampfgetümmel schlossen die Jerusalemer die Tore des Tempelbergs und leisteten Gegenwehr, aber Tankreds Krieger stürmten den heiligen Platz, auf dem sich die verzweifelten Einwohner drängten.
    Stundenlang tobten die Kämpfe; in rasender Wut töteten die Franken alle, die ihnen in Straßen und Gassen unterkamen. Sie schlugen ihnen nicht nur die

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