Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
von Hollywoodfilmen und im Gefolge des katastrophalen Irakkriegs von 2003 verbreitete moderne Vorstellung, die Kreuzzüge hätten lediglich eine Gelegenheit zur Bereicherung mit sadistischer Dividende geboten, ist falsch. Eine Handvoll Fürsten eroberte sich neue Fürstentümer, und einige wenige Kreuzfahrer machten Karriere, aber die Kosten waren enorm, und dieses weltfremd-idealistische und riskante, aber fromme Unterfangen forderte zahlreiche Menschenleben und brachte viele um ihre Habe. Es herrschte ein Geist, der für moderne Menschen schwer nachzuvollziehen ist: Christen bot sich Gelegenheit, die Vergebung aller ihrer Sünden zu erlangen. Kurz, diese kriegerischen Pilger waren in der überwiegenden Mehrheit Gläubige, die auf den Zinnen Jerusalems ihr Heil suchten.
Die Menge in Clermont antwortete dem Papst: »Deus le volt! Gott will es!« Raimund von Toulouse nahm als einer der Ersten das Kreuz. Achtzigtausend Menschen folgten dem Aufruf, manche in disziplinierten Kontingenten unter der Führung von Fürsten, manche in wilden Horden unter der Führung von Abenteurern und andere in frommen Scharen von Bauern, angeführt von heiligen Einsiedlern. Als die erste Welle von Kreuzfahrern durch Europa nach Konstantinopel zog, zwangen sie unterwegs Tausende Juden zu konvertieren oder massakrierten sie aus Rache für die Hinrichtung Christi.
Der byzantinische Kaiser Alexios hieß diese Raufbolde, leicht erschrocken, willkommen – und schickte sie so bald wie möglich weiter nach Jerusalem. In Anatolien wurden Scharen europäischer Bauern von den Türken getötet, aber die besser organisierten, erfahreneren und engagierten Ritter der Hauptheere konnten die Seldschuken vernichtend schlagen. Ihr Unternehmen war ein Triumph des Glaubens über die Erfahrung und die Vernunft: Von Anfang an und umso intensiver, je näher sie dem Heiligen Land kamen, wurde ihr Feldzug von göttlichen Visionen, Engelserscheinungen und der Entdeckung heiliger Zeichen geleitet und ermutigt, die ebenso viel Bedeutung hatten wie Militärtaktiken. Es war ein Glück für die Europäer, dass sie eine Region angriffen, die zutiefst gespalten war zwischen kriegerischen Kalifen, Sultanen, Emiren, Türken und Arabern, die ihre eigenen Rivalitäten über jegliche islamische Solidarität stellten.
Der Fall Antiochias war der erste wahre Erfolg der Kreuzfahrer, allerdings wurden sie anschließend in der Stadt belagert. Stellungskrieg und Hunger hätten den Kreuzzug beinahe dort enden lassen. Auf dem Höhepunkt der Krise in Antiochia träumte einer der Männer Graf Raimunds, Peter Bartholomäus, der heilige Speer liege unter einer Kirche: Sie gruben und fanden tatsächlich einen Speer. Diese Entdeckung stärkte die Kampfmoral. Als man Bartholomäus Betrug vorwarf, unterzog er sich einer Feuerprobe. Er überlebte den – in der Regel drei Meter langen – Gang über glühende Eisen und behauptete, keinen Schaden genommen zu haben. Zwölf Tage später jedoch starb er.
Die Kreuzfahrer überstanden Antiochia, und auf ihrem weiteren Vormarsch nach Süden schlossen die türkischen und fatimidischen Emire von Tripolis, Caesarea und Akko Abkommen mit ihnen. Nachdem die Fatimiden Jaffa aufgegeben hatten, zogen die Kreuzfahrer landeinwärts Richtung Jerusalem. Als die Truppen vor den Mauern ihr Lager aufschlugen, riet ein Einsiedler, inspiriert von einer Vision, den Heerführern auf dem Ölberg, sie sollten unverzüglich angreifen. Am 13. Juni 1099 versuchten sie, die Mauern zu stürmen, wurden aber mühelos abgewehrt und erlitten hohe Verluste. Den Fürsten wurde klar, dass sie eine bessere Planung, mehr Sturmleitern, Katapulte und Belagerungsgerät brauchten, aber es gab nicht genügend Holz, um diese Ausrüstung zu bauen. Sie hatten Glück. Am 17. Juni legten in Jaffa Genueser Seeleute an und schafften das Holz ihrer zerlegten Schiffe nach Jerusalem, um daraus fahrbare Belagerungsmaschinen mit Katapulten zu bauen.
Die Fürsten stritten bereits über die Kriegsbeute. Zwei der fähigsten Männer hatten sich schon eigene Fürstentümer verschafft: Bohemund von Tarent hatten sie als Herrn von Antiochia zurückgelassen, und Gottfrieds energischer Bruder Balduin hatte Edessa am fernen Euphrat erobert. Nun beanspruchte der raubgierige Tankred Bethlehem für sich, aber die Kirche erhob Anspruch auf den Geburtsort Christi. Es herrschte erbarmungslose Hitze, der Schirokko wehte, Wasser war knapp, die Truppenstärke zu gering, die Kampfmoral schlecht, und die Ägypter
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