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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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begrub man auf dem Löwenfriedhof im Mamilla-Viertel oder in geweihter Erde unmittelbar vor dem Goldenen Tor, das bereits als muslimischer Friedhof diente, wo die Beigesetzten auf die Auferstehung am Jüngsten Tag warteten.
    Jerusalem war so voller Schätze, »Edelsteine, Gewänder, Gold und Silber« sowie wertvoller Gefangener, dass die Franken zwei Tage lang Sklavenversteigerungen abhielten. Manche geachteten Muslime hatte man verschont, um Lösegeld für sie zu fordern: Für den schafiitischen Gelehrten Sheich Abd al-Salam al-Ansari verlangten sie tausend Dinar, als aber niemand sie bezahlen wollte, töteten sie ihn. Überlebende Juden und 300 hebräische Bücher (einschließlich des Aleppo-Kodex, einer der frühesten hebräischen Bibelhandschriften, die teilweise noch heute erhalten ist) gingen gegen Lösegeld an ägyptische Juden. Der Verkauf von Gefangenen entwickelte sich zu einem der lukrativsten Wirtschaftszweige des Königreichs Jerusalem. Bei der Säuberung der Straßen hatte man nicht alle Leichenteile einsammeln können, und so stank Jerusalem noch lange Zeit – sogar als Fulcher von Chartres sechs Monate später zurückkehrte: »O was für ein Gestank herrschte innerhalb und außerhalb der Mauern von den verwesenden Leichen der Sarazenen, die noch lagen, wo man sie erjagt hatte.« Jerusalem war noch nicht sicher: Die ägyptische Armee war im Anmarsch. Die Kreuzfahrer brauchten dringend einen Oberkommandierenden – den ersten König von Jerusalem.
    Gottfried: Beschützer des Heiligen Grabes
    Hochadel und Klerus erkundeten die Moral der Thronanwärter. Sie fühlten sich verpflichtet, dem ältesten Fürsten die Krone anzubieten, dem unbeliebten Raimund, taten dies aber nur widerwillig. Raimund lehnte denn auch pflichtgemäß mit der Begründung ab, er könne in der Stadt Jesu nicht König sein. Daraufhin boten sie den Thron ihrem bevorzugten Kandidaten an, dem keuschen, würdigen Herzog Gottfried, der den eigens geprägten Titel »Beschützer des Heiligen Grabes« annahm.
    Raimund, dem klar war, dass man ihn ausmanövriert hatte, war empört und weigerte sich, den Davidsturm aufzugeben, bis die Bischöfe vermittelten. Diese Krieger-Pilger hatten zwar militärisch triumphiert, aber es fiel ihnen nicht leicht, die Moral durchzusetzen, die man in einer von Jesus persönlich regierten Stadt erwarten sollte. Sie wählten den normannischen Geistlichen Arnulf zum Patriarchen, aber schon bald musste er sich gegen den Vorwurf verteidigen, er habe mit einer arabischen Frau Ehebruch begangen und ein Kind gezeugt.
    Arnulf versah die Kirchen mit Glocken (die Muslime hatten Kirchengeläut immer verboten). Jerusalem sollte lateinisch-katholisch werden. Zudem demonstrierte er, wie tief die Kluft des christlichen Schismas war, indem er das Heilige Grab lateinischen Priestern unterstellte und den griechisch-orthodoxen Patriarchen mit seinem Klerus verbannte. Damit begann der unpassende Streit zwischen den christlichen Religionsgemeinschaften, der Besucher bis heute empört und amüsiert. Allerdings konnte Arnulf den Hauptteil des Wahren Kreuzes nicht finden, und die orthodoxen Priester weigerten sich, ihm das Versteck zu verraten. Der Patriarch ließ sie foltern: Ein Christ folterte Christen, um herauszufinden, wo sich der lebenspendende Baum des Lammes Gottes befand. Letztlich redeten die Gefolterten.
    Am 12. August 1099 ließ Gottfried, der Beschützer des Heiligen Grabes, Jerusalem nahezu ohne Verteidigung zurück und führte das gesamte Kreuzfahrerheer nach Askalon, wo er die Ägypter besiegte. Als die Stadt anbot, sich Raimund zu ergeben, lehnte Gottfried ab und verlangte, dass sie vor ihm kapitulierte: Askalon ging ihm verloren – aber das war nur der erste von vielen Schlägen, die sich die Führer Jerusalems durch ihre Fehden selbst versetzten. Immerhin war Jerusalem sicher – wenn auch menschenleer.
    Der Herzog der Normandie, der Graf von Flandern und viele Kreuzfahrer kehrten in die Heimat zurück und ließen Gottfried mit einer stinkenden, verwüsteten Stadt zurück, in der nur 300 Ritter, 2000 Fußsoldaten und kaum genügend Einwohner für ein Stadtviertel lebten. Raimund von Toulouse hörte auf zu schmollen, machte sich daran, die libanesische Küste zu unterwerfen und gründete schließlich eine eigene Dynastie als Graf von Tripolis. Nun gab es vier Kreuzfahrerstaaten: das Fürstentum Antiochia, die Grafschaften Edessa und Tripolis und das Königreich Jerusalem. Dieser typische Flickenteppich aus

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