Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
Köpfe, sondern auch Hände und Füße ab und schwelgten in den sprudelnden Fontänen reinigenden Blutes der Ungläubigen. In einer erstürmten Stadt ein Massaker zu verüben war nichts Neues, wohl aber der frömmlerische Stolz, mit dem die Täter darüber berichteten. »Wunderbare Anblicke boten sich«, schwärmte einer der Augenzeugen, Raimund von Aguilers, der Kaplan des Grafen von Toulouse: »Unsere Männer schlugen die Köpfe ihrer Feinde ab, andere erschossen sie mit Pfeilen, so dass sie von den Türmen fielen, wieder andere peinigten sie länger, indem sie sie in die Flammen warfen. Haufen von Köpfen, Händen und Füßen waren auf den Straßen zu finden. Man musste sich einen Weg zwischen den Menschenleichen und Pferdekadavern bahnen.«
Müttern entriss man ihre Säuglinge und schleuderte sie gegen die Mauern. Als die Barbarei eskalierte, suchten »Sarazenen, Araber und Äthiopier« – die schwarzen sudanesischen Soldaten der Fatimidenarmee – Zuflucht auf den Dächern des Felsendoms und der al-Aqsa-Moschee. Aber die Ritter kämpften sich zum Felsendom durch, bahnten sich mit Hauen und Stechen einen Weg über die bevölkerte Esplanade, töteten und hieben auf menschliche Körper ein, bis sie »im Tempel [Salomos, wie die Kreuzfahrer die al-Aqsa-Moschee nannten] bis zum Zaumzeug durch Blut ritten. Es war in der Tat ein gerechtes und herrliches Gottesurteil, dass dieser Ort mit dem Blut Ungläubiger erfüllt wurde.«
Zehntausende, darunter viele muslimische Geistliche und asketische Sufis, wurden auf dem Tempelberg getötet, 3000 allein in der al-Aqsa-Moschee. Wie der Chronist Fulcher von Chartres schilderte, schossen »unsere Gladiatoren« die Muslime mit Pfeil und Bogen vom Dach der Moschee. »Was soll ich mehr berichten? Keiner kam mit dem Leben davon, weder Frauen noch Kinder wurden verschont.« Aber Tankred schickte den verbliebenen 300 Menschen auf dem Dach der al-Aqsa-Moschee sein Banner als Zeichen des Schutzes. Er stellte das Töten ein, nahm einige wertvolle Gefangene und ließ sich die Schätze auf dem Tempelberg zeigen. Dann plünderte er die riesigen goldenen Leuchter, die in den Heiligtümern hingen. Die Juden flüchteten sich in ihre Synagogen, die aber von den Kreuzfahrern angezündet wurden. Die Juden verbrannten bei lebendigem Leib, fast wie ein Brandopfer im Namen Jesu. Gottfried von Bouillon legte sein Schwert ab, machte mit einem kleinen Gefolge einen Rundgang durch die Stadt und betete, bevor er zum Heiligen Grab ging.
Am nächsten Morgen stiegen Raimunds Männer zu Tankreds Verärgerung nervös auf das Dach der al-Aqsa-Moschee, überraschten die dort kauernden Muslime und enthaupteten die Männer und Frauen in einem weiteren Blutrausch. Einige der Muslime sprangen in den Tod. Eine angesehene Gelehrte aus Schiraz in Persien flüchtete sich mit einer Schar Frauen in den Kettendom – auch sie wurden niedergemetzelt. Die Kreuzfahrer hatten eine grausige Freude an der Verstümmelung ihrer Opfer, die sie beinahe wie ein Sakrament vollzogen. »Überall lagen Leichenteile, enthauptete Körper und verstümmelte Gliedmaßen verstreut.« Noch furchterregender waren die blutbespritzten Kreuzfahrer mit ihrem wilden Blick, »von Kopf bis Fuß bluttriefend, ein grausiger Anblick, der alle, die ihnen begegneten, mit Angst und Schrecken erfüllte«. Sie durchsuchten die Gassen des Basars und zerrten weitere Opfer hervor, um sie »zu schlachten wie Schafe«.
Jedem Kreuzfahrer hatte man den Besitz des Hauses zugesagt, das er mit »Schild und Waffen« markierte: »daher durchstöberten die Pilger die Stadt aufs Sorgsamste und töteten tapfer die Einwohner«, erschlugen »Frauen, Kinder, ganze Haushalte«, von denen sich viele kopfüber aus hohen Fenstern zu Boden stürzten. [132]
Am 17. Juli hatten die Pilger (wie sich diese Schlächter nannten) endlich ihren Blutdurst gestillt und »gönnten sich die dringend benötigte Ruhe und Nahrung«. Die Fürsten und Priester machten sich auf den Weg zum Heiligen Grab, sangen dort zum Lobe Christi, klatschten in die Hände und benetzten den Altar mit Freudentränen, bevor sie durch die Straßen zum Tempel des Herrn (Felsendom) und zum Tempel Salomos zogen. Diese Straßen lagen voller Leichenteile, die in der Sommerhitze verwesten. Die Heerführer zwangen die überlebenden Juden und Muslime, sie wegzuräumen und zu verbrennen; anschließend wurden sie vermutlich ebenfalls ermordet und folgten ihren Brüdern auf den Scheiterhaufen. Die Kreuzfahrer, die starben,
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