Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
II ., der Kleine
Sobald Balduin in der Kirche beigesetzt war, prüften die Barone die Thronprätendenten. Aber eine Fraktion wählte einfach den Grafen von Edessa und bemächtigte sich Jerusalems. Es war eine glückliche Wahl für das Königreich. Balduin II., der Vetter des verstorbenen Königs, der zur Abgrenzung von seinem schlaksigen Vorgänger »der Kleine« genannt wurde, hatte Edessa 18 Jahre unter ständigen Kriegen regiert und sogar vier Jahre in türkischer Gefangenschaft überlebt. Sein Bart reichte ihm bis auf die Brust, sein blondes Haar war mittlerweile von silbernen Strähnen durchzogen; er führte eine gute Ehe mit einer armenischen Erbin, Morphia, die ihm vier Töchter schenkte, und war so fromm, dass er vom Beten Schwielen an den Knien hatte. Balduin war mehr noch als sein Vorgänger ein zugleich levantinischer und fränkischer König: Er fühlte sich im Nahen Osten heimisch und hielt in langen Gewändern Hof, wobei er mit gekreuzten Beinen auf Kissen saß. Die Muslime sahen ihn als König, der »reich an Erfahrung« war und »rechte Entscheidung und glückliche Hand in der Regierung« besaß – ein großes Lob für einen Ungläubigen.
In Jerusalem überließ Balduin der Kleine seinen Tempel Salomos einem neuen militärischen Orden »gottesfürchtiger« Ritter, die »gelobten, immer in Armut, Keuschheit und Gehorsam zu leben« und sich nach ihrem neuen Stammhaus benannten. Der Templerorden begann mit neun Hütern der Pilgerroute von Jaffa, entwickelte sich aber bald zu einem schlagkräftigen militärisch-religiösen Orden mit 300 Rittern, die mit Genehmigung des Papstes das rote Kreuz trugen und über Hunderte von Sergeanten und Tausende Fußsoldaten verfügten. Die Templer verwandelten den islamischen Haram al-Sharif in einen christlichen Komplex mit Schrein, Arsenal und Unterkünften: [133] Die ehemalige al-Aqsa-Moschee, die bereits in mehrere Räume und Gemächer unterteilt war, erweiterten sie an der Südseite um einen geräumigen Templersaal (von dem noch heute Reste vorhanden sind). Den Kettendom in der Nähe des Felsens wandelten sie in die Jakobuskapelle um. Aus der unterirdischen Moschee der Wiege Jesu wurde die christliche Marienkirche. Herodes’ unterirdische Hallen, die sie Salomos Ställe nannten, dienten dem Orden als Stallungen für 2000 Pferde und 1500 Lastkamele; den einzigen Zugang bildete ein Tor in der Südmauer, die durch ein Vorwerk befestigt war. Nördlich des Felsendoms bauten sie einen Kreuzgang, ein eigenes Badehaus und eine Werkstatt. Auf dem al-Aqsa-Gebäude legten sie »eine Fülle von Gärten, Höfen, Vorzimmern, Vestibülen und Regenwasserzisternen an«, wie der deutsche Mönch Theoderich von Würzburg schrieb, der 1172 Jerusalem besuchte.
Bereits 1113 übertrug Papst Paschalis II. das Areal südlich der Grabeskirche einem weiteren neuen Ritterorden, den Hospitalitern, die später zu einer noch reicheren heiligen Armee wurden als die Templer. Anfangs trugen sie schwarze Kutten mit weißem Kreuz; später erlaubte der Papst ihnen den roten Umhang mit weißem Kreuz. Sie bauten ein eigenes Quartier mit einer Herberge mit tausend Schlafplätzen und einem riesigen Hospital, in dem vier Ärzte die Kranken zweimal täglich untersuchten, ihren Urin prüften und sie zur Ader ließen. Jede Entbindende erhielt eine Wiege. Da der Komfort jedoch begrenzt war, bekam jeder Patient einen Schaffellmantel und Stiefel, um zur Latrine zu gehen. Jerusalem hallte von vielen Sprachen wider, darunter Französisch, Deutsch und Italienisch – Balduin räumte den Venezianern Handelsprivilegien ein –, war aber nach wie vor Christen vorbehalten: Muslimische Händler hatten zwar Zugang zur christlichen Hauptstadt, durften dort aber nicht über Nacht bleiben.
Nicht lange nach Balduins Amtsantritt griff Il-Ghazi, der ehemalige Herrscher Jerusalems und Herr über Aleppo, Antiochia an und tötete den dortigen Fürsten. Umgehend zog König Balduin mit seinem Heer und dem Wahren Kreuz nach Norden und besiegte ihn. [134] Aber 1123 nahm Il-Ghazis Neffe Balak König Balduin gefangen.
Während die Ortuq-Familie Balduin festhielt und das Kreuzfahrerheer Tyrus belagerte, rückten die Ägypter von Askalon vor in der Hoffnung, Jerusalem erobern zu können, das ohne seinen König und ohne Verteidigungskräfte zurückgeblieben war. [99]
23
Das goldene Zeitalter von Outremer
1131 – 1142
Melisende und Fulk: eine Königshochzeit
Zweimal wehrten die Jerusalemer unter dem Kommando des Vogtes Eustach von
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