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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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Saladin, und mindestens zwei Könige Jerusalems kennenzulernen.
    Usama entstammte der Herrscherdynastie der befestigten Stadt Schaizar, verlor aber den Nachfolgestreit und später durch ein Erdbeben auch seine Familie. Nach diesen Schicksalsschlägen wurde er ein Ritter – faris – im Dienste des Herren, der ihm jeweils die besten Chancen bot. Mit mittlerweile 45 Jahren diente er nun Unur von Damaskus. Usama lebte für den Kampf, die Jagd und die Literatur. Sein gefahrenträchtiges Streben nach Macht, Wohlstand und Ruhm war zugleich blutig und voller Farcen: Immer wieder taucht in seinen Memoiren die Wendung auf: »noch ein Desaster«. Aber er war auch ein geborener Chronist: Deutlich ist zu spüren, dass dieser ästhetische arabische Don Quijote selbst in den Momenten, wenn seine Pläne fehlschlugen, genau wusste, dass die Geschichten einen großartigen Stoff für seine witzigen, geistreichen und melancholischen Schriften boten. Usama war ein meisterhafter adib – ein arabischer Belletrist par excellence –, der Bücher und Gedichte über die Wonnen der Frauen, männliche Manieren, das richtige Leben (Lubab al-Adab) , Erotik und Krieg schrieb. Bei ihm geriet selbst eine Geschichte des Spazierstocks zu einem Essay über das Altern (Kitab al-’Asa) .
    Atabeg Unur traf nun also mit seinem überschwänglichen Höfling Usama in Jerusalem ein: »Ich hatte wiederholt Gelegenheit, den Frankenkönig aufzusuchen, um einen Frieden« auszuhandeln, schrieb Usama, der erstaunlich höfliche Beziehungen zu Fulk unterhielt. [137] Der König und der Ritter scherzten miteinander über das Rittertum. »›Sie sagten mir, du seiest ein großer Ritter, aber ich konnte nicht glauben, daß du ein Ritter bist‹«, erklärte Fulk. »›Herr, ich bin ein Ritter meiner Art und meinem Volk‹«, antwortete Usama. Über Usamas Aussehen ist nichts bekannt, aber offenbar waren die Franken von seiner Erscheinung beeindruckt.
    Auf seinen Besuchen in Jerusalem studierte Usama ausgiebig die Unterlegenheit der Kreuzfahrer; seiner Ansicht nach gab es »keine Eigenschaft der Menschen, die sie schätzen, außer Tapferkeit im Kampf« – obwohl seine Werke zeigen, dass viele muslimische Traditionen ebenso barbarisch und primitiv waren. Wie jeder gute Reporter hielt er Gegensätze fest – Gutes und Schlechtes über beide Seiten. Als er als alter Mann am Hofe Saladins zurückblickte, war ihm sicher klar, dass er Jerusalem in der Glanzzeit des Kreuzfahrer-Königreichs erlebt hatte.
    Melisendes Jerusalem: Gehobenes und einfaches Leben
    Melisendes Jerusalem galt vielen Christen als das eigentliche Zentrum der Welt, ganz im Gegensatz zu der menschenleeren, stinkenden Stadt, die die Franken vierzig Jahre zuvor erobert hatten. Die Stadtpläne aus jener Zeit zeigen Jerusalem als Kreis, unterteilt von den beiden sich kreuzenden Hauptstraßen, und im Zentrum die Grabeskirche, was die Stellung der Heiligen Stadt als Nabel der Welt unterstrich.
    Der König und die Königin hielten im Davidsturm und dem benachbarten Palast Hof, während der Patriarchenpalast das Zentrum kirchlicher Angelegenheiten war. Im Jerusalem zur Zeit von Outremer lebten vermutlich gewöhnliche Barone besser als die Könige in Europa, wo selbst Potentaten ungewaschene Wolle trugen und in zugigen Burgen mit unverputztem Mauerwerk und groben Möbeln hausten. Auch wenn nur wenige Kreuzritter so grandios leben konnten wie später in diesem Jahrhundert Johann von Ibelin, gewährt sein Palast in Beirut Einblicke in den Lebensstil: Mosaikböden, Marmorwände, bemalte Decken, Brunnen und Gärten. Selbst Bürgerhäuser waren mit üppigen Teppichen, Damastwandbehängen, fein bemalten Kacheln, geschnitzten Tischen mit Einlegearbeiten und Porzellangeschirr ausgestattet.
    Jerusalem verband die rauen Seiten einer Grenzstadt mit den luxuriösen Eitelkeiten einer Königsresidenz. Selbst die weniger achtbaren Frauen wie die Mätresse des Patriarchen protzten in Jerusalem mit Juwelen und Seide, sehr zum Missfallen der achtbareren Damen. Mit 30 000 Einwohnern und Scharen von Pilgern war Jerusalem die Heilige Stadt, ein christlicher Schmelztiegel und militärisches Hauptquartier – beherrscht von Krieg und Gott. Die Franken, Männer wie Frauen, badeten nun regelmäßig, auf der Gerberstraße gab es öffentliche Bäder, das römische Abwassersystem war noch in Betrieb, und wahrscheinlich besaßen die meisten Häuser Toiletten. Selbst die islamophobischsten Kreuzfahrer mussten sich dem Orient anpassen. Im Krieg

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