Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
Grenier die Ägypter ab. Zur allgemeinen Freude wurde Balduin mit Lösegeld freigekauft: Am 2. April 1125 war die ganze Stadt auf der Straße, um den König in der Heimat willkommen zu heißen. Balduins Gefangenschaft hatte die Frage seiner Nachfolge für ihn in den Vordergrund gerückt. Seine Erbin war seine Tochter Melisende, die er nun mit dem fähigen, erfahrenen Grafen Fulk von Anjou verheiratete; er war ein Veteran unter den Kreuzrittern, ein Nachkomme des lasterhaften mehrfachen Jerusalempilgers Fulk der Schwarze und Sohn Fulks IV. mit dem wunderbaren Beinamen der Zänker.
Als Balduin 1131 in Jerusalem erkrankte, zog er sich in den Patriarchenpalast zurück, um als demütiger Christ zu sterben, und dankte ab zugunsten Fulks, Melisendes und ihres erst kurz zuvor geborenen Sohnes, des zukünftigen Balduins III. Jerusalem hatte sein eigenes Krönungszeremoniell entwickelt. Fulk und Melisende kamen in bestickten Dalmatika, Stola und Kronjuwelen in den Tempel Salomos und stiegen auf prachtvoll geschmückte Pferde. Hinter dem Haushofmeister, der den Zug mit dem gezückten Königsschwert anführte, und gefolgt von dem Seneschall mit dem Zepter sowie dem Vogt mit der königlichen Standarte ritten sie durch die jubelnde Stadt – und wurden als erste Monarchen Jerusalems in der Rotunde der wiederaufgebauten Grabeskirche gekrönt.
Der Patriarch nahm ihnen den Königschwur ab und forderte die versammelte Gemeinde dreimal auf, zu bestätigen, dass sie die rechtmäßigen Thronerben seien. » Oill! Ja!«, rief die Menge. [135] Man brachte die beiden Kronen an den Altar. Das Königspaar wurde aus einem Horn mit Öl gesalbt, bevor Fulk den Treuering, den Reichsapfel und das Zepter zur Bestrafung der Sünder erhielt und mit dem Schwert des Krieges und der Gerechtigkeit gegürtet wurde. Anschließend krönte der Patriarch beide und küsste sie. Vor der Grabeskirche half der Marschall König Fulk aufs Pferd, und sie ritten zurück auf den Tempelberg. Beim Festbankett im Templum Domini bot der König an, die Krone zurückzugeben, und nahm sie anschließend wieder; diese Tradition basierte auf der Geschichte der Beschneidung Jesu, bei der Maria ihn angeblich in den Tempel brachte, Gott anbot und für zwei Tauben wieder zurückkaufte. Schließlich brachten die Bürger Essen und Wein, das der Seneschall und der Haushofmeister dem Königspaar servierten, während der Marschall die Standarte über sie hielt. Nach viel Gesang, Musik und Tanz geleitete der Vogt den König und die Königin in ihr Gemach.
Melisende war die regierende Königin, aber anfangs erwartete Fulk, in eigenem Namen zu regieren. Er war ein vierschrötiger, 40-jähriger Soldat mit rotem Haar »wie König David«, laut Wilhelm von Tyrus, und besaß ein schlechtes Gedächtnis, was bei Königen immer ein Mangel ist. Da er es gewöhnt war, sein eigenes Reich zu verwalten, fiel es ihm schwer, seine herrische Königin zu bändigen, geschweige denn, sie zu bezaubern. Schon bald verbrachte die schlanke, dunkelhaarige und intelligente Melisende allzu viel Zeit mit ihrem gutaussehenden Vetter und Spielgefährten aus Kindertagen, Graf Hugo von Jaffa, dem reichsten Magnaten in Jerusalem. Schließlich beschuldigte Fulk die beiden, eine Affäre zu haben.
Königin Melisende: der Skandal
Melisendes Flirt gab anfangs nur Anlass zu Klatsch und Tratsch, wuchs sich aber sehr bald zu einer politischen Krise aus. Als Königin musste sie kaum mit einer Bestrafung rechnen; aber wenn ein Paar des Ehebruchs für schuldig befunden wurde, drohte der Frau nach fränkischem Recht, dass man ihre Nase spaltete, und dem Mann die Kastration. Ein Weg, seine Unschuld zu beweisen, bestand im Duell: Ein Ritter forderte nun Graf Hugo heraus, seine Unschuld im Zweikampf zu beweisen. Aber Hugo floh auf ägyptisches Territorium und blieb dort, bis die Kirche als Kompromiss aushandelte, dass er drei Jahre ins Exil gehen sollte.
Nach seiner Rückkehr nach Jerusalem saß Hugo eines Tages in einem Wirtshaus an der Gerberstraße beim Würfelspiel, als ein bretonischer Ritter auf ihn einstach. Er überlebte den Angriff, aber Jerusalem geriet darüber »in Schrecken und in die größte Bewegung«, und es verbreitete sich das Gerücht, Fulk habe den Mord an seinem Rivalen in Auftrag gegeben. Nun musste der König seine Unschuld beweisen: Der Bretone wurde vor Gericht gestellt und verurteilt, ihn zu verstümmeln und ihm die Zunge abzuschneiden. Fulk befahl jedoch, seine Zunge zu schonen, um zu zeigen, dass er
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