Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
König bereits eingetroffen war. Als Ludwig und Eleonore sich der Stadt näherten, »gingen ihm der ganze Klerus und das Volk entgegen« und geleiteten ihn »mit Hymnen und geistlichen Liedern« zur Grabeskirche. Das französische Königspaar wohnte mit Konrad im Tempel Salomos, wo Eleonore vermutlich von den französischen Höflingen streng bewacht wurde. Drei Monate lang saß sie dort fest.
Am 24. Juni 1148 beriefen Melisende und ihr Sohn Balduin III. eine Versammlung in Akko ein, die sich auf das Ziel dieses Kreuzzugs einigte: Damaskus. Die Stadt war bis kurz zuvor mit Jerusalem verbündet gewesen, bot aber nun ein vernünftiges Kriegsziel, da es nur eine Frage der Zeit war, wann sie an Nur al-Din fallen würde. Am 23. Juli kämpften sich die Könige von Jerusalem, Frankreich und Deutschland durch die Obstwiesen westlich von Damaskus vor, verlegten ihr Lager aber zwei Tage später aus unerfindlichen Gründen nach Osten. Vier Tage später brach der Kreuzzug zusammen, und die drei Könige traten den unrühmlichen Rückzug an.
Vielleicht hatte Unur, der Atabeg von Damaskus, den Jerusalemer Adel bestochen und überzeugt, dass die westlichen Kreuzfahrer die Beute für sich haben wollten. Ein derart korruptes Doppelspiel war durchaus vorstellbar, aber wahrscheinlich hatten die Kreuzfahrer schlichtweg erfahren, dass Zengis Sohn, Nur al-Din, mit einem Heer zum Entsatz der Stadt unterwegs war. Unter den Belastungen dieser verheerenden Niederlage welkte Jerusalem dahin. Konrad machte sich auf den Heimweg. Ludwig schwelgte in asketischen Bußübungen und blieb, um Ostern in der Heiligen Stadt zu feiern. Für Eleonore konnten sie gar nicht schnell genug die Heimreise antreten: Unmittelbar nach ihrer Rückkehr wurde ihre Ehe annulliert. [142]
Als sie abgereist waren, feierte Königin Melisende ihren größten Triumph und erlitt ihre schwerste Demütigung. [102] Am 15. Juli 1149 weihten sie und ihr Sohn die neue Grabeskirche ein, damals – wie heute – das Meisterwerk und die atemberaubende heilige Kulisse Jerusalems zur Kreuzfahrerzeit. Die Architekten hatten in dem 1048 erbauten und 1119 restaurierten Komplex ein Gewirr von Kapellen und Schreinen vorgefunden und dieses Problem mit erstaunlicher Kühnheit gelöst. Sie überbauten das Grab mit einer hoch aufstrebenden Rotunde und vereinten seine sämtlichen heiligen Stätten in einem prachtvollen romanischen Bau, der bis in den Heiligen Garten hineinreichte. Die Ostwand der Rotunde öffnete sich in angrenzende Kapellen und einen großen Wandelgang. An der Stelle, an der sich Konstantins Basilika befunden hatte, bauten sie einen großen Kreuzgang. Der Südeingang von 1048 blieb bestehen, erhielt aber eine romanische Fassade mit zwei Portalen (eins ist heute zugemauert) und verzierten Stürzen (heute im Rockefeller Museum). Das aufwendige Schnitzwerk der Treppe, die zur Golgathakapelle hinaufführte, gehört vielleicht zu den erlesensten Beispielen der Kreuzfahrerkunst.
Es kam zu Unstimmigkeiten zwischen Melisende und ihrem Sohn, der die uneingeschränkte Macht beanspruchte. Balduin III. war mittlerweile zwanzig Jahre alt, wegen seiner Klugheit, seiner flachsblonden Haare und seiner Körperkraft beliebt und galt als der perfekte fränkische König, hatte aber auch einige Laster. Es war bekannt, dass er ein Spieler war und gern verheiratete Frauen verführte. Eine Krise im Norden zeigte jedoch, dass Jerusalem einen aktiven Soldatenkönig an der Spitze brauchte: Zengis Sohn, Nur al-Din, besiegte Antiochia und tötete Eleonores Onkel Raimund.
Balduin zog umgehend nach Norden und kam noch rechtzeitig, um Antiochia zu retten, aber als er zurückkehrte, weigerte die mittlerweile 47-jährige Melisende sich, ihn Ostern krönen zu lassen, wie er es verlangte. Der König beschloss zu kämpfen.
Mutter gegen Sohn: Melisende gegen Balduin III .
Melisende bot ihm die reichen Hafenstädte Tyrus und Akko an, behielt aber Jerusalem für sich. Dieser schwelende Konflikt flammte erneut auf, als Balduin ein eigenes Heer aushob, um das Königreich an sich zu reißen. Melisende eilte von Nablus nach Jerusalem, dicht gefolgt von Balduin. Jerusalem öffnete dem König die Tore. Melisende zog sich in den Davidsturm zurück, wo Balduin sie belagerte. Er umstellte die Burg mit Belagerungsmaschinen und beschoss sie mehrere Tage lang mit Geschossen und Pfeilen. Schließlich gab die Königin ihre Macht – und Jerusalem – auf.
Kaum hatte Balduin sein Thronrecht erstritten, als Nur al-Din erneut
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