Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
fränkische Art den Prozess, indem man ihn fesselte und in ein Fass mit Wasser warf, auf dem ein Holzbalken lag. Ginge er unter, so wäre er unschuldig, da er aber nicht unterging, war er schuldig und man blendete ihn.
Was die sexuellen Gepflogenheiten anging, schilderte Usama erheitert, wie ein Franke einen anderen mit seiner Frau im Bett vorfand, ihn aber lediglich mit einer Warnung davonkommen ließ, und wie ein anderer seinem Barbier befahl, das Schamhaar seiner Frau zu rasieren. Auf medizinischem Gebiet schilderte Usama, wie ein muslimischer Arzt den Abszess am Bein eines Franken mit Umschlägen behandelte, aber ein fränkischer Arzt mit einem Beil hereinstürmte und das Bein abhackte, nachdem er die unsterbliche Frage gestellt hatte. »Was ist dir lieber: mit einem Bein zu leben oder mit zwei Beinen zu sterben?« Allerdings starb der Patient nun mit einem Bein. Als der orientalische Arzt einer Frau, die an »Austrocknung« litt, eine Diät verordnete, diagnostizierte derselbe fränkische Arzt »einen Teufel im Kopf« und schnitt ihr ein Kreuz in den Schädel, worauf sie sofort starb. Die besten Ärzte waren arabischsprechende Christen und Juden: Selbst die Könige von Jerusalem bevorzugten nun orientalische Ärzte.
Die Muslime hielten die Kreuzfahrer für brutale Plünderer. Aber das Klischee der barbarischen Kreuzfahrer und der muslimischen Ästheten lässt sich auch übertreiben. Schließlich hatte Usama dem sadistischen Zengi gedient, und wenn man seine Schilderungen ganz liest, ergibt sich ein Bild islamischer Gewalt, das nach heutigem Empfinden nicht minder schockierend ist: das Sammeln von Christenköpfen, Kreuzigung und Zweiteilen der eigenen Soldaten und Ketzer, die strengen Strafen der islamischen Scharia – und die Anekdote, wie Usamas Vater seinem Diener in einem Wutanfall den Arm abhackte. Auf beiden Seiten herrschten Gewalt und ähnlich brutale Gesetze. Die fränkischen Ritter und die islamischen faris hatten viel gemeinsam: Beide wurden angeführt von selbsternannten Abenteurern wie Balduin und Zengi, die kriegerische Dynastien gründeten. Beide Systeme basierten auf der Zuteilung von Lehngütern oder Einkommensquellen an führende Krieger. Die Araber nutzten Dichtung, um sich zur Schau zu stellen, zu unterhalten und Propaganda zu verbreiten. Als Usama im Dienst des Atabeg von Damaskus stand, verhandelte er in Versform mit den Ägyptern, während die Kreuzritter höfische Liebesdichtung verfassten. Ritter wie faris lebten nach ähnlichen Regeln edlen Verhaltens und teilten die gleichen Leidenschaften – Religion, Krieg, Pferde – und die gleichen Sportarten.
Nur wenige Soldaten und Dichter hielten die Erregung und die Freude am Krieg so lebendig fest wie Usama. Seine Schriften zu lesen ist wie ein Ritt in die Scharmützel des Heiligen Krieges im Königreich Jerusalem. Er brillierte in seinen Schlachtfeldanekdoten über tollkühne, verwegene Kavaliere, wundersame Rettungen, furchtbare Tode und schwelgte in wilden Gefechten mit blitzendem Stahl, schwitzenden Pferden und spritzendem Blut. Aber er war auch ein Philosoph des Schicksals und der Barmherzigkeit Gottes: »Den Krieger – und sei er auch ein wahrer Löwe – vernichten und behindern manchmal kleine Hindernisse«. Vor allem aber glaubten beide Seiten, der »Sieg im Krieg kommt von Allah dem Gesegneten und Erhabenen«, um es mit Usamas Worten zu sagen. Religion war alles. Usamas höchstes Lob für einen Freund war: »Er gehörte zu den Gelehrten, Rittern und Frommen unter den Muslimen.«
Die Ruhe in Melisendes Jerusalem wurde jedoch plötzlich durch ein Unglück erschüttert, das sich in einem bei muslimischen und fränkischen Rittern gleichermaßen beliebten Sport ereignete.
24
Patt
1142 – 1174
Zengi: Hybris und Nemesis
Wenn Usama nicht gerade kämpfte oder las, jagte er mit Geparden, Habichten und Hunden Hochwild, Löwen, Wölfe und Hyänen – darin unterschied er sich nicht von Zengi oder König Fulk, die so oft wie möglich auf die Jagd gingen. Als Usama und der Atabeg von Damaskus Fulk besuchten und einen Hühnerhabicht bewunderten, schenkte der König ihnen das Tier.
Am 7. November 1142, kurz nach Usamas Jerusalembesuch, jagte König Fulk in der Umgebung von Akko, als er einen Hasen sah, seinem Pferd die Sporen gab und ihm nachsetzte. Plötzlich löste sich sein Sattelgurt, und er wurde abgeworfen. Der Sattel traf ihn am Kopf, und er erlitt einen Schädelbruch. Drei Tage später starb er. Die Jerusalemer geleiteten Fulks
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