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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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Frieden kennengelernt hatte. Sie begleiteten ihn und Atabeg Unur auf den Tempelberg, das gründlich christianisierte Hauptquartier der Templer.
    Manche Kreuzfahrer sprachen Arabisch und bauten sich Häuser mit Innenhöfen und Brunnen wie muslimische Potentaten; manche aßen sogar arabische Gerichte. Usama traf Franken, die kein Schwein aßen, und berichtete von einem fränkischen Gastgeber: »Er ließ einen schönen Tisch bringen mit ganz reinlichen und vorzüglichen Speisen.« Die meisten Franken missbilligten es jedoch, wenn jemand sich allzu stark den Einheimischen anpasste. »Gott hat den Okzident in den Orient verwandelt«, schrieb Fulcher. »Er, der ein Römer oder Franke war, wurde in diesem Land in einen Galiläer oder Palästinenser verwandelt.« Aber auch Usamas Freundschaft mit den Templern und deren Offenheit hatten ihre Grenzen. Ein Templer, der in die Heimat zurückkehrte, bot Usama herzlich an, ihm seinen Sohn mitzugeben, um ihn in Europa erziehen zu lassen, damit er »als verständiger Mann« zurückkehre. Usama konnte seine Verachtung kaum verhehlen.
    Als sie im Felsendom beteten, fragte einer der Franken den Atabeg: »Willst du Gott als Kind sehen?« Der Franke führte Unur und Usama an ein Bild Marias mit dem Jesuskind.
    »Das ist Gott als Kind«, erklärte er zu Usamas amüsierter Verachtung.
    Die Templer erlaubten Usama, im Tempel des Herrn, der ehemaligen al-Aqsa-Moschee, zu beten, obwohl er unverhohlen sagte: »Allah ist groß.« Einmal kam es jedoch zu einem beunruhigenden Zwischenfall: »Da fiel einer der Franken über mich her, packte mich und drehte mein Gesicht nach Osten. ›So musst du beten!‹, rief er. Gleich eilte eine Gruppe Tempelritter zu ihm, nahm ihn und führte ihn weg von mir.« Die Templer entschuldigten sich für ihn und erklärten: »Er ist noch fremd. Erst dieser Tage ist er aus dem Frankenland angekommen.« Usama stellte fest: »Jeder, der in den fränkischen Gebieten noch neu ist, hat rohere Sitten als jene, die sich schon an das Land gewöhnt haben und die mit den Muslimen zusammenleben.« Diese Neuankömmlinge blieben ein »ganz verdammtes Geschlecht und gewöhnen sich an keinen Fremden«.
    Aber nicht nur muslimische Edelleute besuchten Melisendes Jerusalem. Täglich kamen muslimische Bauern in die Stadt, um ihre Feldfrüchte zu verkaufen, und verließen Jerusalem abends wieder. In den 1140er Jahren wurden die Vorschriften gelockert, die Juden und Muslime aus der Stadt Christi verbannten – daher konnte der Reiseschriftsteller Ali al-Harawi sagen: »Ich habe lange genug zur Zeit der Franken in Jerusalem gelebt, um zu wissen, wie das Kunststück mit dem Heiligen Feuer bewerkstelligt wurde.« Es gab bereits wieder einige Juden in der Stadt, aber Pilgerfahrten waren immer noch gefährlich.
    Gerade zu dieser Zeit, 1141, soll der spanische Dichter, Philosoph und Arzt Juda Halevi aus Spanien gekommen sein. In seinen Liebesliedern und seiner religiösen Dichtung besang er die Sehnsucht nach Zion in seiner vollkommenen Schönheit, litt unter dem Wüten »Edoms« (des Islam) und »Ismaels« (des Christentums) in der Heiligen Stadt und sah die Juden im Exil als Taube in einem fremden Land. Sein Leben lang glaubte Halevi, der auf Hebräisch dichtete, aber Arabisch sprach, an die Rückkehr der Juden nach Zion.
Du Stadt, des Weltherrn Thron.
Nach Dir krankt mein Herz hin aus der Erde Westbastion …
Und flög ich auf Fittichen des Aars, so mischt’ ich bald,
des Augs Naß mit deinem Staub
    Halevi, dessen Dichtung nach wie vor Teil der Synagogenliturgie bildet, schrieb so treffend wie kaum einer über Jerusalem: »Träum ich dich fronbereit/Bin ich die Harfe, zu Deinen Liedern zu schlagen.« Es ist nicht geklärt, ob er es tatsächlich nach Jerusalem schaffte, aber als er durch das Stadttor ging, ritt der Legende nach ein Reiter, vermutlich ein Franke, über ihn weg und tötete ihn, ein Schicksal, das er vielleicht in seiner Dichtung vorhergesehen hatte: »Aufs Antlitz sänk ich auf Deinen Boden, und Dein Gestein/Herzt ich, und liebkoste Deinen Staub.«
    Dieser Tod dürfte Usama nicht überrascht haben, der sich eingehend mit dem gewaltgeprägten Rechtssystem der Franken beschäftigt hatte. Auf seinem Weg nach Jerusalem wurde er Zeuge, wie zwei Franken einen Rechtsstreit durch einen Zweikampf lösten – einer schlug dem anderen den Kopf ein. »Das zeigt die Art ihres Rechts und ihres Urteils.« Einem jungen Mann, den man beschuldigte, Pilger ermordet zu haben, machte man auf

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