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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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zu werden. Syrische Christen, die Groll gegen die lateinischen Christen hegten, einigten sich, Saladin die Tore zu öffnen. Als die muslimischen Truppen die Stadt am 30. September angriffen, suchte Balian Saladin zu Verhandlungen auf. Die Flagge des Sultans war schon auf der Stadtmauer gehisst, aber der Sturm wurde abgewehrt.
    »Ich verfahre nicht anders mit euch als ihr mit der Bevölkerung Jerusalems, als ihr nach dessen Eroberung 492 (1099) die Einwohner ermordet oder in die Sklaverei geführt und ähnliche Grausamkeiten verübt habt!«, erklärte Saladin Balian.
    »Wisse Sultan, wir sind in so großer Zahl in der Stadt, daß nur Gott sie kennt«, erwiderte Balian. »Sehen wir aber den Tod unvermeidlich vor uns – bei Gott, wir töten unsere Frauen und Kinder und stecken unsere Habe in Brand! … Dann zerstören wir den Felsendom, die Moschee al-Aqsa und die anderen heiligen Orte.«
    Daraufhin ließ Saladin sich auf Kapitulationsbedingungen ein. Großzügig gewährte er Königin Sibylla und sogar Rainalds Witwe die Freiheit, aber die anderen Jerusalemer mussten entweder Lösegeld bezahlen oder in die Sklaverei gehen. [111]
    Saladin: der Mensch
    Saladin entsprach nie ganz dem Bild des liberalen Edelmanns, der den primitiven Franken in seinen Manieren überlegen war, wie westliche Schriftsteller ihn im 19. Jahrhundert zeichneten. Aber gemessen an anderen Herrschern, die im Mittelalter Imperien aufbauten, hat er seinen positiven Ruf durchaus verdient. Einem seiner Söhne erklärte er, wie er sein Reich aufgebaut hatte, und sagte: »Was ich erreicht habe, habe ich nur geschafft, indem ich anderen geschmeichelt habe. Hege gegen niemanden Groll, denn der Tod verschont niemanden. Sei bedachtsam in deinen Beziehungen zu Menschen.« Saladin sah nicht imposant aus und besaß keine Eitelkeit. Als ein Höfling in Jerusalem durch eine Pfütze ritt und seine Seidengewänder bespritzte, lachte er nur. Er vergaß nie, dass das Schicksal, das ihm solchen Erfolg beschert hatte, sich ebenso schnell von ihm abwenden könnte. Obwohl sein Aufstieg blutig war, verabscheute er Gewalt und riet seinem Sohn Zahir: »Ich warne dich davor, Blut zu vergießen, darin zu schwelgen und es dir zur Gewohnheit zu machen, denn Blut schläft nie.« Als muslimische Truppen bei einem Überfall das Kleinkind einer Fränkin stahlen, kam sie über die feindlichen Linien und appellierte an Saladin, der zu Tränen gerührt war, das Baby sofort suchen und seiner Mutter zurückgeben ließ. Ein anderes Mal, als einer seiner Söhne die Erlaubnis erbat, fränkische Gefangene zu töten, wies er ihn zurecht und lehnte die Bitte ab, damit er keinen Geschmack am Töten fände.
    Yusuf ibn Ayyub wurde 1138 als Sohn eines vermögenden kurdischen Soldaten in Tikrit (der Geburtsstadt Saddam Husseins im heutigen Irak) geboren. Sein Vater und sein Onkel, Schirkuh, dienten Zengi und dessen Sohn Nur al-Din. Saladin wuchs in Damaskus auf und genoss als junger Mann das Leben mit Wein, Kartenspiel und Mädchen. Nachts spielte er bei Kerzenlicht Polo mit Nur al-Din, der ihn zum Polizeichef von Damaskus machte. Als Nur al-Din im Kampf um Ägypten Schirkuh entsandte, nahm dieser seinen mittlerweile 26-jährigen Neffen Yusuf mit.
    Mit nur 2000 ausländischen Reitern gelang es diesem kurdischen Onkel und seinem Neffen, sich aus ausweglosen Lagen zu befreien und den Heeren der Fatimiden und Jerusalemer Ägypten zu rauben. Nachdem Yusuf, der den Ehrennamen Saladin annahm, [149] im Januar 1169 den Wesir von Ägypten ermordet hatte, trat sein Onkel dessen Nachfolge an. Aber Schirkuh starb schon bald darauf an einem Herzinfarkt. So wurde Saladin mit 31 Jahren der letzte Wesir des Fatimidenreiches. Nach dem Tod des letzten Kalifen 1171 löste Saladin das schiitische Kalifat Ägypten auf (das seither sunnitisch geblieben ist), tötete die übermächtigen sudanesischen Garden in Kairo und erweiterte sein wachsendes Reich um Mekka, Medina, Tunesien und Jemen.
    Als Nur al-Din 1174 starb, zog Saladin nach Norden, nahm Damaskus ein und dehnte sein Reich allmählich über weite Teile des Irak, Syriens und Ägyptens aus, aber die Verbindung zwischen beiden Territorien, das heutige Jordanien, war teils in der Hand der Kreuzfahrer. Für einen Krieg mit Jerusalem gab es daher nicht nur theologisch, sondern auch machtpolitisch gute Gründe. Saladin bevorzugte Damaskus und sah Ägypten als finanzielle Verlockung: »Ägypten war eine Hure, die mich von meiner treuen Ehefrau [Damaskus] zu trennen

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