Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
versuchte«, scherzte er.
Saladin war kein Diktator. [150] Sein Reich war ein Flickenteppich aus gierigen Emiren, rebellischen Kleinfürsten und ehrgeizigen Brüdern, Söhnen und Neffen, denen er als Gegenleistung für Loyalität, Steuerzahlungen und die Bereitstellung von Soldaten Lehngüter zuteilte. Geld und Soldaten waren immer knapp. Nur sein Charisma hielt alles zusammen. Er war kein herausragender Feldherr, wurde häufig von den Kreuzfahrern besiegt, war aber hartnäckig und »mied seine Frauen und alle Vergnügungen«. Über weite Teile seines Lebens kämpfte er gegen andere Muslime, aber nun entwickelte sich seine persönliche Mission, der Heilige Krieg um die Rückeroberung Jerusalems, zu seiner beherrschenden Passion. »Irdische Freuden habe ich aufgegeben«, erklärte er. »Davon habe ich genug gehabt.«
Als er einmal während des Krieges mit seinem Minister Ibn Shaddad am Meer entlangging, sagte er: »Wenn Gott mir erlaubt, die ganze Küste zu erobern, habe ich im Sinn, meine Länder zu teilen, meine Verfügungen zu treffen und meinen Letzten Willen niederzuschreiben, mich dann auf dies Meer zu begeben und die Franken bis in ihre fernen Länder zu verfolgen, um keinen auf der Oberfläche der Erde leben zu lassen, der nicht an Gott glaubt, oder zu sterben.« Den Islam setzte er strenger durch als die Fatimiden. Als er von einem jungen islamischen Ketzer erfuhr, der in seinem Territorium predigte, ließ er ihn kreuzigen und tagelang am Kreuz hängen.
Am liebsten saß er abends mit seinen Gelehrten und Generälen zusammen, plauderte und empfing Gesandte. Er bewunderte Dichter und Denker, und sein Hof war nicht komplett ohne Usama ibn Munqidh; der mittlerweile Neunzigjährige erinnerte sich: »Mit Barmherzigkeit hat er in den Ländern nach mir gesucht, da unter mir felsiger Grund und ebener Boden waren, als ich weder Geld noch Verwandte hatte. Er hat mich aus den Klauen des Schicksals mit seinem schönen Ratschluß gerissen … Dabei ist seine Gunst wie die Ehrung eines Verwandten.« Saladin war lahm, häufig krank und wurde von 21 Ärzten behandelt – acht Muslimen, acht Juden (darunter Maimonides) und fünf Christen. Wenn der Sultan sich erhob, um zu beten, oder befahl, die Kerzen zu löschen, war das für seine Höflinge das Zeichen, dass der Abend beendet war. Er selbst verhielt sich untadelig, aber seine hedonistischen, ehrgeizigen Verwandten machten seine Zurückhaltung mehr als wett.
Tänzerinnen und Aphrodisiaka: der Hof Saladins
Die jungen Prinzen feierten, laut dem Satiriker al-Wahrani, Orgien, bei denen die Gastgeber, wie Hunde jaulend, nackt auf allen vieren liefen und Wein aus den Bauchnabeln der Sängerinnen schlürften, während in den Moscheen sich die Spinnweben ausbreiteten. In Damaskus murrten die Araber über Saladins Herrschaft. Der Schriftsteller Ibn Ubain mokierte sich über Saladins ägyptische Bedienstete, besonders über die schwarzen Sudanesen: »Wäre ich schwarz mit einem Kopf wie ein Elefant, kräftigen Unterarmen und riesigem Glied, würdet Ihr für mich sorgen.« Für diese Impertinenz schickte Saladin ihn in die Verbannung.
Saladins Neffe Taki al-Din war sein talentiertester General, aber auch der ehrgeizigste und ausschweifendste der Prinzen. Seine Vorlieben waren so berüchtigt, dass seine Worte angeblich »süßer als Schläge mit dem Pantoffel einer Dirne« waren. Der Satiriker Wahrani schlug ironisch vor: »Wenn du von der Regierung zurücktrittst, könntest du der Reue den Rücken kehren und die Dirnen von Mosul, die Kuppler von Aleppo und die Sängerinnen des Irak sammeln.«
Takis priapische Ausschweifungen nahmen solche Ausmaße an, dass er Gewicht, Energie und Erektion verlor. Er konsultierte den jüdischen Arzt Maimonides, der seiner jüdischen Gemeinde von exzessivem Essen, Trinken und Geschlechtsverkehr abriet, aber seine fürstlichen Patienten anders behandelte. Für Saladins Neffen verfasste der Leibarzt eigens ein Traktat über Geschlechtsverkehr und verschrieb Mäßigung, wenig Alkohol, Frauen, die weder zu alt noch zu jung waren, eine Mixtur aus Wein und der Ochsenzungenpflanze und schließlich ein »wunderbares Geheimnis«, eine Art mittelalterliches Viagra: das königliche Glied vor dem Verkehr zwei Stunden mit Ölen, vermischt mit safrangelben Ameisen, zu massieren. Maimonides versprach, dass die Erektion dann noch lange über den Akt hinaus anhalten werde.
Saladin liebte Taki und beförderte ihn zum Vizekönig von Ägypten. Als sein Neffe aber
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