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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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Obergeschosse der Marienkirche Jehoshaphat am Fuß des Ölbergs und das Coenaculum auf dem Berg Zion ab, um die nötigen Steine zu bekommen. Saladin, Safadin und ihre Söhne arbeiteten persönlich an den Mauern mit.
    Unterdessen eroberte und befestigte Richard Askalon, das Tor nach Ägypten, und bot Saladin eine Teilung Jerusalems an, bei der die Muslime den Haram und den Davidsturm behalten sollten. Aber diese Gespräche, die fast so schwierig waren wie die zwischen Israelis und Palästinensern im 21. Jahrhundert, führten zu nichts: Beide hofften immer noch, ganz Jerusalem für sich zu bekommen. Am 20. März besuchten Safadin und sein Sohn Kamil Richard und boten ihm Zugang zur Grabeskirche und die Rückgabe des Wahren Kreuzes an: Mit der klassischen chevaleresken Geste schlug Richard Löwenherz den jungen Kamil zum Ritter und legte ihm den Gürtel des Rittertums um.
    Dieses Ritterspektakel kam jedoch bei den aufsässigen französischen Rittern nicht gut an, die forderten, Jerusalem sofort zu stürmen. Am 10. Juni führte Richard sie wieder nach Bayt Nuba, wo sie in der sengenden Hitze ein Lager aufschlugen und drei Wochen lang über das weitere Vorgehen stritten. Zur Entspannung machte Richard einen Erkundungsritt und kam irgendwann nach Montjoie, wo er abstieg, um zu beten, aber seinen Schild hoch hielt, damit er den Glanz Jerusalems nicht sah. Angeblich sagte er: »Gott, ich bitte dich, lass mich die Heilige Stadt nicht sehen, die ich nicht von deinen Feinden befreien konnte.«
    Richard Löwenherz setzte Spione in der Armee des Sultans ein, die ihn nun informierten, dass Saladins Prinzen mit einer Nachschubkarawane aus Ägypten unterwegs waren. Im Beduinengewand legte Richard mit 500 Rittern und 1000 Mann leichter Kavallerie den Ägyptern einen Hinterhalt. Er vertrieb die gegnerischen Soldaten, bemächtigte sich der Karawane und erbeutete 3000 Kamele und zahlreiche Packpferde mit Versorgungsgütern – genug, um vielleicht Jerusalem oder Ägypten anzugreifen. »Das war schmerzlich für Saladin«, sagte sein Minister Ibn Shaddad, »aber ich bemühte mich, ihn zu beruhigen.« In der angespannten Lage Jerusalems war Saladin der Panik nahe und stand unter unerträglichem Druck. Er vergiftete die Brunnen rund um die Stadt und unterstellte die spärlichen Truppen dem Kommando seiner Söhne. Da sein Heer unzureichend war, rief er Safadin aus dem Irak zurück.
    Am 2. Juli berief er einen Kriegsrat ein, aber seine Emire waren ebenso unzuverlässig wie Richards Barone. Ibn Shaddad eröffnete die Sitzung: »Das Beste, was wir tun können, ist, uns am Felsendom zu versammeln und auf den Tod vorzubereiten.« Es herrschte Schweigen, die Emire verharrten so reglos, »als ob Vögel auf ihren Köpfen säßen«. Der Rat debattierte, ob ihr Oberhaupt die Stadt mit einem letzten Gefecht verteidigen oder eine Belagerung lieber vermeiden sollte. Dem Sultan war klar, dass seine Gefolgsleute sich bald ergeben würden, wenn er nicht in der Stadt wäre. Schließlich sagte Saladin: »Ihr seid das Heer des Islam. Wenn ihr die Zügel aus der Hand gebt, werden sie dieses Land aufrollen wie eine Schriftrolle. Es liegt in eurer Verantwortung – dafür hat das Schatzamt euch all diese Jahre bezahlt.« Die Emire beschlossen zu kämpfen, aber am nächsten Tag kamen sie wieder und erklärten, sie fürchteten eine Belagerung wie in Akko. Ob es nicht besser sei, außerhalb der Stadt zu kämpfen und schlimmstenfalls Jerusalem vorübergehend zu verlieren? Die Generäle bestanden darauf, dass Saladin oder einer seiner Söhne in Jerusalem blieben, weil seine türkischen Truppen sonst mit seinen kurdischen Soldaten aneinandergeraten würden.
    Saladin blieb – und seine Spione hielten ihn über Richards Probleme auf dem Laufenden. Als der 15. Juli 1192, der Jahrestag der Eroberung Jerusalems durch die Kreuzfahrer 1099, näher rückte, entdeckten die Kreuzfahrer ein weiteres Fragment des Wahren Kreuzes – ein Wunder zur rechten Zeit, das die Stimmung der Truppen hob. Aber die Franzosen unter dem Herzog von Burgund und die Anglo-Angeviner unter Richard standen auf Kriegsfuß miteinander und verspotteten sich gegenseitig mit albernen Sprüchen und Anzüglichkeiten. Richard, der Troubadour, schrieb selbst ein Lied darüber.
    Saladin war geradezu krank vor Anspannung: Am Donnerstagabend, dem 3. Juli, war Ibn Shaddad so besorgt, dass er ihm empfahl, Trost im Gebet zu suchen: »Wir sind am meistgesegneten Ort, an dem wir an diesem Tag sein können.« Der

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