Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
Brienne, der Titularkönig von Jerusalem, den fünften Kreuzzug zum Angriff auf Ägypten anführte. [158] Die Kreuzfahrer belagerten die Hafenstadt Damiette. Safadin, der mittlerweile 74 Jahre alt war, führte sein Heer an, starb aber, als er erfuhr, dass der Kettenturm von Damiette gefallen war. Sofort eilte Muazzam aus Jerusalem nach Ägypten, um seinem älteren Bruder Kamil, dem neuen Sultan von Ägypten, zu helfen. Aber die Brüder gerieten in Panik und boten den Kreuzfahrern zweimal Jerusalem an, wenn sie nur aus Ägypten abzögen. Als im Frühjahr 1219 das gesamte Imperium der Familie in Gefahr war, traf Muazzam den schmerzlichen Entschluss, sämtliche Befestigungen Jerusalems zu schleifen mit der Begründung, »wenn die Franken es einnähmen, würden sie dort alle töten und Syrien beherrschen«.
Jerusalem blieb schutzlos und halb menschenleer zurück – die Einwohner flüchteten in Scharen. »Frauen, Mädchen und alte Männer sammelten sich auf dem Haram, rauften sich die Haare, zerrissen ihre Kleider und verstreuten sie in alle Winde«, als sei es »der Tag des Jüngsten Gerichts«. Aber die Kreuzfahrer lehnten dummerweise das Angebot der Brüder ab, Jerusalem zu übernehmen – und der Kreuzzug brach zusammen.
Sobald die Kreuzfahrer abgezogen waren, entbrannte zwischen Kamil und Muazzam, die in höchster Not so gut zusammengearbeitet hatten, ein heftiger Bruderkrieg um die Vorherrschaft. Jerusalem erholte sich bis zum 19. Jahrhundert nie wieder völlig. Drei Jahrhunderte lang blieb die Stadt ohne ihre – vorher und nachher – sagenhaften Mauern. Dennoch sollte sie durch ein höchst unwahrscheinliches Friedensabkommen erneut in andere Hände übergehen. [115]
Kaiser Friedrich II .: das Staunen der Welt, das Ungeheuer der Apokalypse
Am 9. November 1225 heiratete Friedrich II., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und König von Sizilien, in der Kathedrale von Brindisi Jolande, die 13-jährige Königin von Jerusalem. Unmittelbar nach der Hochzeit nahm Friedrich den Titel König von Jerusalem an und bereitete sich auf seinen Kreuzzug vor. Seine Gegner behaupteten, dass er weiterhin die Zofen seiner Frau verführte und sich mit den sarazenischen Odalisken seines Harems vergnügte. Das empörte seinen Schwiegervater, Johann von Brienne, und ärgerte den Papst. Aber Friedrich war bereits der mächtigste Monarch Europas – später sollte er den Beinamen Stupor Mundi, das Staunen der Welt erhalten – und machte alles auf seine eigene Art.
Der grünäugige, rotblonde Friedrich von Hohenstaufen war als halber Deutscher und halber Normanne auf Sizilien aufgewachsen. In ganz Europa gab es keinen vergleichbaren Hof wie den von Palermo, der normannische, arabische und griechische Kultur zu einer einzigartigen Mischung aus christlichen und islamischen Elementen verband. Diese Erziehung machte Friedrich so ungewöhnlich, und sicher protzte er mit seinen exzentrischen Eigenheiten. Zu seiner Entourage gehörten gewöhnlich ein Sultansharem, ein Zoo, fünfzig Falkner (er schrieb ein Buch Über die Kunst der Jagd mit Vögeln ), eine arabische Leibwache, jüdische und muslimische Gelehrte und häufig ein schottischer Magier und Oberpriester. Sicher war er von seiner Kultur her stärker levantinisch geprägt als jeder andere König der Christenheit, aber das hielt ihn nicht davon ab, arabische Rebellen in Sizilien erbarmungslos zu unterdrücken – ihrem gefangenen Anführer schlitzte er persönlich mit seinen Sporen den Bauch auf. Die Araber deportierte er zwar aus Sizilien, baute ihnen aber eine neue arabische Stadt in Lucera, Apulien, mit eigener Moschee und einem Palast, der zu seiner Lieblingsresidenz wurde. Ganz ähnlich setzte er antijüdische Gesetze durch, während er jüdische Gelehrte förderte, jüdische Siedler willkommen hieß und auf ihrer fairen Behandlung bestand.
Aber nicht Exotika, sondern Macht verzehrte Friedrich: Er widmete sein Leben der Verteidigung seines riesigen Erbes, das von der Ostsee bis ans Mittelmeer reichte, gegen neidische Päpste, die ihn zweimal exkommunizierten, ihn als Antichrist schmähten und die abwegigsten Verleumdungen gegen ihn verbreiteten. Angeblich war er insgeheim ein Atheist oder Muslim, der Moses, Jesus und Mohammed als Schwindler bezeichnete. Er wurde als mittelalterlicher Frankenstein dargestellt, der einen Sterbenden in ein versiegeltes Fass sperrte, um zu sehen, ob seine Seele entkäme, der einen Mann ausweidete, um seine Verdauung zu studieren, und Kinder stumm
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