Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
Sultan sollte beim Freitagsgebet zwei rituelle Verneigungen, rakat , machen und sich anschließend zweimal niederwerfen. Saladin vollzog diese Rituale und weinte unverhohlen. Bei Einbruch der Nacht meldeten seine Spione, dass die Franken ihr Lager abbrachen. Am 4. Juli trat Richard den Rückzug an.
Überschwänglich ritt Saladin seinem Lieblingssohn Zahir entgegen, küsste ihn auf die Stirn und geleitete ihn nach Jerusalem, wo der Prinz bei seinem Vater im Palast des Großmeisters der Hospitaliter wohnte. Beide Seiten waren erschöpft. Nun erhielt Richard auch noch aus England Nachricht, dass sein Bruder Johann kurz vor einer offenen Rebellion stand. Wenn er sein Land retten wollte, musste er bald heimkehren.
Durch Richards Probleme ermutigt, unternahm Saladin am 28. Juli einen Überraschungsangriff auf Jaffa, das er nach kurzer Bombardierung mit seinen Mangoneln einnahm. Während Ibn Shaddad die Kapitulation aushandelte, schlief Saladins Sohn Zahir während der Wache ein. Plötzlich tauchte Richard Löwenherz in einer scharlachrot beflaggten Galeere vor der Küste auf. Er kam gerade rechtzeitig: Einige Franken hielten noch in der Stadt aus. Er schoss mit einer Armbrust und watete an den Strand – »rothaarig in rotem Gewand mit rotem Banner«. Ohne auch nur seine hohen Wasserstiefel auszuziehen oder seine Rüstung anzulegen, schwang er seine dänische Streitaxt und eroberte die Stadt mit nur 17 Rittern und einigen hundert Fußsoldaten in einem erstaunlich imposanten Überrumpelungsangriff zurück.
Hinterher hänselte er Saladins Minister: »Euer Sultan ist ein großer Mann, aber wieso ist er abgezogen, nur weil ich gekommen bin? Ich hatte nur meine Seestiefel und nicht einmal meinen Brustharnisch an!« Saladin und Safadin schickten Richard Löwenherz angeblich Araberpferde als Geschenk, aber solche ritterlichen Gesten waren häufig nur eine Verzögerungstaktik, denn schon bald führten sie einen Gegenangriff. Richard wehrte sie ab und forderte die Sarazenen anschließend zum Zweikampf heraus. Mit der Lanze in der Hand ritt er die Reihen ab, aber niemand nahm die Herausforderung an.
Saladin befahl einen weiteren Angriff, aber seine Emire weigerten sich. Darüber geriet er so in Zorn, dass er daran dachte, seine meuternden Generäle nach Art Zengis kreuzigen zu lassen. Aber er beruhigte sich wieder und lud sie zu saftigen Aprikosen ein, die gerade aus Damaskus eingetroffen waren.
Der König und der Sultan waren in ihrem Kampf wieder in ein Patt geraten. »Beide Seiten sind müde, beide Gefährten des Kampfes überdrüssig«, gestand Richard dem Sultan. Während der Verhandlungen brachen beide Kriegsherren krank zusammen, da ihre Mittel und ihr Kampfeswille völlig erschöpft waren.
28
Die Dynastie Saladins
1193 – 1250
Der Tod des Sultans
Am 2. September 1192 schlossen Sultan und König den Frieden von Jaffa und besiegelten die erste Teilung Palästinas: Das christliche Königreich machte mit der Hauptstadt Akko einen Neubeginn, während Saladin Jerusalem behielt, aber den Christen ungehinderten Zugang zur Grabeskirche zusicherte.
Auf dem Rückweg nach Jerusalem traf Saladin seinen Bruder Safadin, der den Boden küsste, um Gott zu danken; später beteten beide im Felsendom. Richard weigerte sich, Jerusalem zu besuchen, aber seine Ritter pilgerten in Scharen in die Heilige Stadt und wurden von Saladin empfangen. Der Sultan zeigte ihnen das Wahre Kreuz, später ging der größte Teil dieser kostbarsten Reliquie jedoch verloren – und verschwand für immer. [155] Als Richards Berater Hubert Walter in Jerusalem war, sprach er mit Saladin über den König; dabei äußerte der Sultan die Ansicht, Richard Löwenherz fehle es an Klugheit und Mäßigung. Dank Walter ließ Saladin wieder lateinische Priester in der Grabeskirche zu. Als der byzantinische Kaiser Isaak Angelos die Stätte für die orthodoxen Christen beanspruchte, entschied Saladin, dass die Christen sie sich unter seiner Aufsicht teilen sollten, und ernannte Scheich Ghanim al-Khazraji zum Verwalter der Kirche – eine Aufgabe, die seine Nachfahren, die Familie Nusseibeh, bis heute erfüllen.
Die beiden Protagonisten des dritten Kreuzzugs trafen nie persönlich zusammen. Am 9. Oktober brach Richard mit dem Schiff nach Europa auf. [156] Saladin betraute Ibn Shaddad, dessen Memoiren eine so lebendige Quelle sind, mit der Umsetzung seiner Pläne in Jerusalem und brach schon bald nach Damaskus auf. [114]
Dort erwarteten ihn die Freuden des
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