Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
wiederauflebte, [153] wurden die Juden so stark ausgegrenzt, dass es schließlich in einem Massenselbstmord in York gipfelte, dem englischen Masada. Zu dieser Zeit war Richard bereits aufgebrochen. Er segelte nach Jerusalem, und überall, wo er unterwegs landete, präsentierte er sich als Inbegriff des königlichen Kriegers. Immer trug er Scharlachrot, die Farbe des Krieges, und ein Schwert, von dem er behauptete, es sei König Artus’ Schwert Excalibur. In Sizilien rettete er seine Schwester, die verwitwete Königin Johanna, vor dem neuen König und plünderte Messina. Als er Zypern erreichte, das von einem byzantinischen Prinzen regiert wurde, eroberte er die Insel und brach mit 25 Galeeren nach Akko auf.
Dort landete Richard am 8. Juni 1191 und schloss sich dem König von Frankreich bei der Belagerung an, in der sich Gefechte mit Phasen der Fraternisierung zwischen den Lagern abwechselten. Saladin und seine Höflinge beobachteten seine Ankunft und waren beeindruckt von dem großen Pomp dieses mächtigen Kriegers und seinem »Feuer im Kampf«.
Das Schlachtfeld war zu einem schäbigen, von Seuchen geplagten Lager aus Königszelten, schmutzigen Hütten, Suppenküchen, Märkten, Bädern und Bordellen verkommen. Dass die Prostituierten die Muslime faszinierten, ist aus der Schilderung von Saladins Sekretär Imad al-Din ersichtlich, der Richards Lager besuchte; selbst ihm gingen die erotischen Metaphern aus, als er diese zügellosen Dirnen und Sängerinnen beäugte: »Sie betrieben lebhaften Handel mit der Ausschweifung …, brachten die Spangen um ihre Fesseln nahe an ihre Ohrringe, wollten hingestreckt sein auf den Teppich des Liebesspiels. Sie waren Ziel der Pfeile, erlaubten alles, was verboten ist, boten sich den Stößen der Lanze dar … luden Schwerter in ihre Scheiden ein, ebneten ihr Land zum Pflanzen, ließen die Speere sich gegen die Schilde erheben, ermunterten die Pflüger zu pflügen, gaben den Schnäbeln zu suchen, … vermehrten die Eidechsen in den Löchern, ließen die Ruchlosen ihr Innerstes kennenlernen, wiesen den Schreibrohren den Weg ins Tintenfaß.«
Imad räumte zwar ein, dass »einige Mamluken, dumme, unglückselige Toren, entkamen«, um diese fränkischen Kokotten auszuprobieren, vermutlich galt das aber für viele. Richards Energie brachte eine Wende im Krieg. Saladin war bereits krank; bald erkrankten auch die beiden europäischen Könige, aber noch auf dem Krankenbett hob Richard seinen Bogen und beschoss das feindliche Lager, während eine Flotte nach der anderen die Elite der europäischen Ritterschaft brachte.
»Erschrocken wie eine Mutter, der man ihr Kind genommen hat, galoppierte Saladin von einem Bataillon zum anderen und spornte die Mannen zum Kampf für den Glauben an«, aber sie waren zahlenmäßig unterlegen und erschöpft. Nachdem der eifersüchtige Philipp Augustus vorzeitig abgezogen war, übernahm Richard das Kommando – »ich herrsche, aber niemand beherrscht mich« –, aber auch seine Truppen hatten gelitten. Er nahm Verhandlungen auf, zu denen Saladin seinen weltgewandten, wenn auch zurückhaltenderen Bruder Safadin als Gesandten schickte; aber diese Pragmatiker veranstalteten immer noch ein Schattenboxen mit allem, was sich ins Feld führen ließ. Sie waren sich ebenbürtig, führten nun jeweils 20 000 Mann an und rangen beide darum, ihren widerspenstigen Edelleuten und polyglotten Heeren ihren Willen aufzuzwingen.
Bald konnte Akko der Belagerung nicht länger standhalten, und der Statthalter nahm Kapitulationsverhandlungen auf. Saladin war »bekümmerter als ein besorgtes liebeskrankes Mädchen«, aber ihm blieb nicht viel anderes übrig, als die Kapitulation Akkos hinzunehmen und die Rückgabe des Wahren Kreuzes und die Freilassung von 1500 Gefangenen zu versprechen. Seine Priorität war jedoch, Jerusalem zu verteidigen. Er zog die Verhandlungen über die Kapitulationsbedingungen in die Länge, um eine Spaltung unter den Kreuzfahrern zu fördern, Geld zu sparen und ihren Feldzug zu verzögern. Aber Löwenherz meinte es ernst und durchschaute Saladins Bluff.
Am 20. August trieb er 3000 muslimische Gefangene gefesselt auf die Ebene in Sichtweite von Saladins Armee und metzelte Männer, Frauen und Kinder nieder. So viel zur legendären Ritterlichkeit. Entsetzt schickte Saladin seine Kavallerie ins Feld, aber es war zu spät. Von nun an ließ er alle fränkischen Gefangenen enthaupten, die ihm in die Hände fielen.
Fünf Tage später marschierte Richard mit
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