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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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Dort gab es aber auch noch die katholischen Lateiner – die Erben der verhassten Kreuzfahrer –, die unter dem repressiven Regime der Mamelucken zwar geduldet, aber dem Terror ihrer Gewaltausbrüche ebenso ausgeliefert waren wie die Juden. Als der König von Zypern 1365 Alexandria angriff, schlossen die Mamelucken die Grabeskirche und brachten die Franziskanermönche nach Damaskus, um sie öffentlich hinzurichten. Sie erlaubten dem Franziskanerorden schließlich die Rückkehr, bauten aber Minarette, die die Grabeskirche und die Rambansynagoge in den Schatten stellen und die Überlegenheit des Islam unterstreichen sollten.
    Als ein junger Mameluckensultan sich 1399 mit seinem Erzieher auf Pilgerfahrt nach Jerusalem begab, nahm der gefürchtete zentralasiatische Eroberer Tamerlan gerade Bagdad ein und überfiel Syrien. [124]

30
    Niedergang der Mamelucken
    1399 – 1517
    Tamerlan und der Lehrer: die Pilgerstadt
    Der königliche Erzieher war der meistgefeierte Gelehrte der islamischen Welt. Ibn Khaldun, der mittlerweile auf die siebzig Jahre zuging, hatte den Monarchen von Marokko gedient, anschließend (nach einer Zeit im Gefängnis) den Herren von Granada, Tunesien und schließlich (nach einer weiteren Inhaftierung) dem Mameluckensultan. Zwischen diesen abwechselnden Phasen der Macht und der Haft schrieb er sein Meisterwerk, die Muqaddimah , eine bis heute brillante Universalgeschichte. Der Sultan ernannte ihn daher zum Erzieher seines Sohnes Faraj, der noch als Kind die Thronfolge antrat.
    Während der scharfsinnige Historiker nun dem zehnjährigen Sultan Jerusalem zeigte, belagerte Tamerlan das mameluckische Damaskus. Timur der Lahme – Timur-Leng, genannt Tamerlan – war 1370 als lokaler Kriegsherr in Zentralasien an die Macht gelangt. In 35 Jahren unablässiger Kriege hatte dieses raubeinige Genie türkischer Abstammung weite Teile des Mittleren Ostens erobert, die er vom Sattel aus regierte, und hatte sich als Erbe Dschingis Khans präsentiert. In Delhi hatte er 100 000 Einwohner getötet, in Isfahan 70 000 und 28 Türme aus jeweils 1500 Köpfen aufgeschichtet, und noch nie hatte er eine Niederlage erlitten.
    Aber Tamerlan war nicht nur Krieger. Seine Paläste und Gärten in Samarkand zeugten von seinem erlesenen Geschmack; er war ein herausragender Schachspieler und ein Geschichtskenner, der Debatten mit Philosophen genoss. Da nimmt es nicht wunder, dass er Ibn Khaldun schon immer hatte kennenlernen wollen.
    Die Mamelucken gerieten in Panik: Wenn Damaskus fiele, würden auch Palästina und vielleicht Kairo fallen. Der alte Pädagoge und der junge Sultan kehrten umgehend nach Kairo zurück, aber die Mamelucken beschlossen, die beiden nach Syrien zu schicken, um mit Tamerlan zu verhandeln – und das Reich zu retten. Gleichzeitig diskutierten die Jerusalemer, was sie machen sollten: Wie konnten sie die Heilige Stadt vor diesem unbesiegbaren Räuber bewahren, den man die Geißel Gottes nannte?
    Als Tamerlan im Januar 1401 vor Damaskus lagerte, erfuhr er, dass Sultan Faraj und Ibn Khaldun ihn zu sprechen wünschten. An dem Jungen hatte er kein Interesse, war aber fasziniert von Ibn Khaldun, den er sofort kommen ließ. Als Politiker vertrat Ibn Khaldun den Sultan, aber als Historiker interessierte es ihn natürlich brennend, den überragenden Mann seiner Zeit kennenzulernen – auch wenn er sich nicht sicher war, ob er tot oder lebendig aus dieser Begegnung hervorgehen würde. Die beiden waren etwa im gleichen Alter. Der grauhaarige Eroberer empfing den ehrwürdigen Historiker in seinem herrschaftlichen Zelt.
    Ibn Khaldun war beeindruckt von diesem »größten und mächtigsten König« und fand ihn »hochintelligent und scharfsinnig, begierig, über das, was er weiß und nicht weiß, zu diskutieren und zu argumentieren«. Er überredete Tamerlan, einige mameluckische Gefangene freizulassen, aber ansonsten ließ die Geißel Gottes nicht mit sich verhandeln: Tamerlan stürmte und plünderte Damaskus, was Ibn Khaldun als »überaus heimtückische und abscheuliche Tat« verurteilte. Nun war der Weg nach Jerusalem frei. Die Ulema beschloss, vor Tamerlan zu kapitulieren, und entsandte eine Delegation, die ihm die Schlüssel zum Felsendom übergeben sollte. Als die Jerusalemer in Damaskus eintrafen, war der Eroberer jedoch nach Norden gezogen, um die aufsteigende Macht in Anatolien, die osmanischen Türken, vernichtend zu schlagen. Anschließend machte Tamerlan sich auf, China zu erobern, starb aber im Februar 1405, und

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