Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
beinahe zu Tode geprügelt. Dann schichtete man auf dem Hof der Grabeskirche einen Scheiterhaufen auf, der Pöbel hackte sie »trunken vor Wut« in Stücke, »bis keine menschliche Gestalt mehr blieb«, und röstete sie im Feuer. [126]
Aber die Rettung war bereits in Sicht, denn als ein toleranterer Sultan an die Macht kam, brachte eine Spezialität der französischen Küche eine Wende für das Geschick des christlichen Jerusalem.
Der Sultan und das christliche Omelette
Qaitbay, ein tscherkessischer Sklavenjunge, der zum Mameluckengeneral aufstieg, hatte Jahre in Jerusalem in Verbannung verbracht. Da er keinen muslimischen Haushalt betreten durfte, freundete er sich mit den Franziskanern an, wo er ein französisches Gericht kennenlernte: Offenbar erinnerte er sich voller Nostalgie an ihr Gemüseomelette, als er 1486 den Mameluckenthron bestieg, denn er hieß die Mönche in Kairo willkommen und erlaubte ihnen, in der Grabeskirche zu bauen – und gab ihnen den Berg Zion zurück. Da sie sich an den Juden rächen wollten, untersagte Qaitbay allen Juden, sich der Grabeskirche oder dem Kloster auf dem Berg Zion zu nähern, ein Verbot, das bis 1917 bestehen blieb. Aber der Sultan erlaubte den Juden, die Rambansynagoge wiederaufzubauen, und vernachlässigte auch den Tempelberg nicht: Bei seinem Jerusalembesuch 1475 gab er den Bau der Ashrafiyya-Medrese in Auftrag, die so schön war, dass sie als »drittes Juwel Jerusalems« galt; ihr Brunnen mit glockenförmiger Kuppel in leuchtend roten und cremeweißen ablaq -Mustern ist bis heute der prachtvollste der Stadt.
Doch trotz Qaitbays Interesse entglitt den Mamelucken zunehmend die Kontrolle über die Stadt. Als der örtliche Kadi, Mujir al-Din, die tägliche Abendparade am Davidsturm abnahm, fand er sie »völlig vernachlässigt und ungeordnet«. Bei einem Beduinenüberfall auf Jerusalem 1480 fiel der Statthalter den Angreifern beinahe in die Hände und entkam nur knapp, indem er über den Tempelberg ritt und durch das Jaffator flüchtete. »Jerusalem ist weitgehend verwüstet«, stellte Rabbi Obadiah von Bertinoro kurz nach dem Beduinenüberfall fest. Einer seiner Schüler bestätigte, dass er aus der Ferne »eine Ruinenstadt« sah, über deren Hügel Schakale und Löwen liefen. Dennoch war Jerusalem immer noch atemberaubend. Als Obadiahs Anhänger die Stadt vom Ölberg aus sah, »floss meine Seele über, mein Herz trauerte und ich setzte mich, weinte und zerriss meine Kleider«. Mujir al-Din, der seine Stadt liebte, fand sie »voller Glanz und Schönheit – eines der berühmten Wunder«. [170]
Schließlich eroberten die Osmanen 1453 Konstantinopel und erbten den Glanz und die Ideologie des römischen Weltreichs. Über Generationen hinweg plagten Thronfolgekriege und die Bedrohung eines wiedererstarkenden Persien die Osmanen. Qaitbay nahm 1481 den flüchtigen osmanischen Fürsten Jem Sultan auf und bot ihm das Königreich Jerusalem in der Hoffnung an, dass ein abtrünniges osmanisches Königreich die Dynastie spalten würde. Dieser gewagte Schachzug führte zu zehn Jahren sinnloser Kriege. Unterdessen sahen sich beide Reiche von aufsteigenden Mächten bedroht – die Mamelucken durch das Vorrücken der Portugiesen im Indischen Ozean, die Osmanen durch den neuen persischen Schah Ismail, der sein Land einte, indem er den noch heute vorherrschenden Zwölfer-Schiismus durchsetzte. Das trieb Osmanen und Mamelucken zu einer kurzlebigen, pragmatischen Vereinigung, die sich allerdings als Todeskuss erweisen sollte. [127]
Teil VII
Osmanen
Dieses edle Jerusalem war Gegenstand der Begierde bei den Königen aller Länder, besonders der Christen, die seit der Geburt Jesu in der Stadt alle ihre Kriege um Jerusalem führten … Jerusalem war der Ort des Gebetes für die Dschinnstämme … Er enthält die Schreine von 124 000 Propheten.
Evliya Celebi, Book of Travels
Süleyman sah den Propheten im Traum: »O Süleyman, du sollst den Felsendom verschönern und Jerusalem wiederaufbauen.«
Evliya Celebi, Book of Travels
Der Hauptbesitz, um welchen alle Nationen am meisten buhlen, ist das heilige Grab. Der Zank darüber war zwischen Griechen und Lateinern so grimmig und unchristlich heftig, daß sie über den Streit, welcher Teil die Messe darinnen lesen sollte, oft zu Schlägen und Wunden, sogar an der Thüre des Grabs kamen.
Henry Maundrell, Reise von Aleppo nach Jerusalem , S. 90f.
So scheiden wir betrübt in arger Welt;
Doch froh vereint uns dort Jerusalem.
William Shakespeare,
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